Leggins

Gestern bin ich mal wieder eine lange Strecke Zug gefahren. Dabei hat man Zeit zum Beobachten, manchmal auch Gaffen, und zum Nachdenken. Und da ich gestern mehrfach die gleichen Ungeheuerlichkeiten angaffen durfte, kreisten meine Gedanken irgendwann um eine weltbewegende Frage:

Wer hat eigentlich die Idee verbreitet, dass Leggins schön sein können?

Zuerst einmal Entwarnung: Zu diesem Beitrag gibt es KEINE Fotos. Zum einen, weil ich keine habe, zum anderen, weil ich lieber schöne Sachen zeige. Und ein schöner Anblick war gestern im Zug selten. Statt dessen trugen sehr viele Frauen, die sich durch den Gang schlängelten, Leggins. Bei einigen wenigen sah das ganz passabel aus. Bei allen anderen wirkte es seltsam bis fatal. Und das bringt mich dazu, mich zum ersten Mal in meinem Leben als Modebloggerin zu betätigen.

Es ist ja nicht so, dass Leggins eine moderne Erfindung sind. Ich erinnere mich noch gut an die 80er Jahre, als viele Frauen in Leggins jedweder Farbe herumliefen: die Konservativeren in Schwarz, die Mutigen in bunt, glänzend oder gemustert. Oder auch in buntglänzend gemustert. Damals trug man dazu lange Pullis, die die Problemzonen einigermaßen versteckten, oder lange Blusen, die teils mit einem breiten Gürtel in Form gedrückt wurden. War Taille vorhanden, konnte das noch recht vernünftig aussehen, gab es keine, konnte der Gürtel das Arrangement genauso wenig retten wie die damals gerne getragenen großen Schulterpolster. Ein breites Kreuz hilft einfach nicht gegen zu viel Hintern – da spreche ich aus Erfahrung.

Das Komische an Leggins ist ja, dass auch ganz schlanke, perfekt gebaute Frauen in ihnen oftmals unvorteilhaft aussehen. Das war nach dem Abflauen der Modewelle in den 80er Jahren durchaus bekannt. Wie oft haben wir die berühmt-berüchtigten 80er-Jahre-Shows geguckt und uns dabei über die unvorteilhaften Beinkleider amüsiert? Galten sie nicht zurecht als DIE Modesünde des letzten Jahrhunderts? Haben wir nicht alle schallend gelacht, wenn wir Bilder oder Zeitschriften sahen, in denen Damen in Leggins (und wenn es ganz dicke kam, einem darüber gezogenen Gymnastikanzug) sich körperlich ertüchtigten? Soll das jetzt, im Jahr 2013, plötzlich nicht mehr gelten? Sind die Dinger in den vergangenen 25 Jahren vielleicht gereift, also schöner geworden? Oder wie erklärt sich die phönixhafte Wiederauferstehung der hässlichen Hosen?

Irgendetwas hat bewirkt, dass die Buxen, in denen angeblich schon Robin Hood eine schlechte Figur machte, wieder salonfähig wurden. Deshalb sah ich mich gestern plötzlich neun jungen Frauen gegenüber, die in schwarz glänzenden Leggins und lustig bedruckten kurzen T-Shirts einen Junggesellinnenabschied feierten. Eines der Mädels sah gut aus, vier erinnerten an Leberwürste, die restlichen vier an Birnen der Sorte Abate Fetel – zumindest von hinten. Ich habe nicht ausmachen können, welche der Frauen wohl die Braut war und hoffe jetzt einfach mal, dass es die war, die gut aussah. Wer weiß, vielleicht haben die anderen acht sich so eigenartig hergerichtet, um der Hauptperson des Abends nicht die Schau zu stehlen? Leggins statt Burka – auch ein Konzept. Wenn auch nicht meines.

Mir ist durchaus bewusst, dass diese Tirade gegen einen aktuellen Modeartikel konservativ und spießig klingt. Vielleicht auch neidisch – sähe doch mein ausladendes Gesäß in so einer Presspelle aus wie das Hinterteil eines Brauereipferdes. Ich will auch niemandem die geliebte Leggins ausreden. Ich gebe aber offen zu, dass sich mein Auge in diesem Sommer doch so manches Mal beleidigt fühlte. Deshalb warte ich darauf, dass die Leggins-Welle 2013 abflaut und die schmalen Stretchtüten wieder in der Versenkung verschwinden – der Lächerlichkeit preisgegeben für mindestens weitere 25 Jahre. Gerne auch länger …

Und damit schließe ich den Ausflug von Meikes bunter Welt in den Bereich der Mode-Blogger.

10 Kommentare zu “Leggins

  1. Als ich zum ersten Mal Frauen in Leggins sah, war das im Saarland. Und ich dachte damals, es wäre eine regionale Torheit. Dem war leider nicht so und Philippine und ich haben uns auch anderswo köstlich über dieses Kleidungsstück das Maul zerrissen. Bis vor wenigen Jahren haben wir dann jedoch nicht mehr so viele entstellende Leggins gesehen – oder wollte sie nicht mehr zur Kenntnis nehmen. In letzter Zeit scheint jedoch Retro am Bein wieder angesagter zu sein. Retro bei Tapeten geht ja noch. Das brauche ich mir bei anderen Leuten nicht anzusehen, aber warum läuft immer eine Retro-Leggins-Trine in der Stadt vor mir her oder kommt mir entgegen. Muß nicht sein!

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    • Ne, Philipp, das muss wirklich nicht sein. Aber „regionale Torheit“ klingt gut. 🙂 Trifft nur leider nicht zu. Und gestern musste ich an den Satz der Kabarettistin Martina Schwarzmann denken, die sich über die Damen in der Höchster Innenstadt ausließ (frei zitiert): „Wenn all die Leggins, die dort zu sehen waren, die richtige Größe für die darin steckenden Hinterteile gehabt hätten, wären die vielleicht sogar blickdicht gewesen.“

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  2. Ich lach‘ mich weg! 😀
    Ergänzen kann ich das noch mit diesen 3/4- Leggins und dann ein Röckchen drüber! Bei ganz, ganz wenigen schaut das sogar gut aus, wenn Figur, gute Stretchqualität der Leggings und Schnitt vom Rock sowie Farbwahl harmonieren.
    Und um mal richtig zu lästern, letzte Woche gerade an einer entfernten Kollegin gesehen: verwaschene, ausgebeulte Leggins mit Rosen- Blumenmuster, darüber lange Zipfelbluse und an den Füßen… Ballerinas wären ja noch hübsch… nein verbleichte, angegraute Chucks.
    Als Läuferin trage ich nun viel die enganliegenden Laufhosen, rein der Funktionalität wegen, trotz strammer Waden. Das bedarf schon einer sorgfältigen Auswahl des Modells sowie des dazugetragenen Shirts. Als ich letzte Woche Shorts, ein grellfuchsiafarbenes Shirt vom WomensRun und an den Füßen Zehenschuhe hattte, da wollte mich mein Mann der Gefahr vor Augenkrebs zu erblinden, bald nicht mitnehmen. :ups:
    LG Mo

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  3. Ich finde Leggings bei kleinen Mädchen z.B. klasse. Die sind total bequem, man kann drin klettern, notfalls ein vergessenen Schlafanzuunterteil damit ergänzen und sie sehen an den kleinen Beinchen niedlich aus.
    Meine Tochter liebt Leggings. Hosen werden abgelehnt, es sei denn über die Legging – im Winter.
    Eine gute Alternative finde ich die Treggings oder Jeans-Leggings. Die haben eine weitaus formendere Wirkung (so wie Stützstrümpfe) und sehen, richtig kombiniert, an der einen oder anderen Dame recht nett aus. Man sollte dafür natürlich keine ganz und gar unsportliche Figur an den Tag legen. Sonst wird es seltsam.
    Aber das ist bei dem vorherrschenden Trend zu Skinny und Slim oder SuperSlim ja nicht anders.
    Ich trage so wohl als auch. Den überlangen Pulli/Shirt dazu gibt es ein Glück ja auch wieder zu kaufen. Anders würde ich das weder mir noch meiner Umwelt zumuten. 🙂

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    • Ja, kleine Kinder sind von dieser Betrachtung natürlich ausgenommen. An denen sehen ja auch Mützen mit Katzenohren niedlich aus. Und kleine Jungs hopsen ja auch in Strumpfhosen rum, oft hochgezogen bis unter die Arme – das tun die allerwenigsten Männer 😉

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  4. Ha, Meike, das Grauen kann ich noch toppen! Jetzt ziehe ich auch mal vom Läster-Leder …! Letztes Jahr sah ich in Bad Cannstadt im Bahnhof eine junge, sehr übergewichtige junge Frau, die trug keine Leggins (sie dachte wohl aber, dass es welche wären!), sondern eine fußlose, schwarze Strumpfhose – allerdings NICHT BLICKDICHT!!! Darunter natürlich einen weißen Slip. Darüber ein viel zu kurzes T-Shirt.
    Man sah alles!
    Und es war nicht schön, was man sah.

    Übrigens habe ich in jungen Jahren (lang, lang ist es her!) auch Leggins und T-Shirt getragen. Sehr bequem! Und bestens geeignet, um mit den Kindern zu spielen usw.

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    • Marlies, bei der Beschreibung muss ich an die verzweifelte Frage eines früheren Kollegen denken, der über eine junge Frau nur den Kopf schütteln konnte: „Ja, hat die denn keinen Spiegel?“ Sowas frage ich mich auch oft.

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  5. Das Leggins DAS Kleidungsstück für Kinder sind, kann ich nur bestätigen. Hab mich neulich wieder mit einem Stoß dicken Winterleggins bei Aldi ringedeckt- woanders dind mir die Dinget noch nicht untergekommen. Aber für 98% der Erwachsenen… bäh!

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