Schön ausgedrückt – stattlich

Dieses Thema passt fast ein wenig zu meiner Miniserie über die geschlechtlichen Inkonsistenzen, denn auch bei diesem Begriff wird das gleiche Wort bei Männern und Frauen leicht unterschiedlich gebraucht.

Schön ausgedrückt – stattlich

Viele Wörter bedeuten im täglichen Sprachgebrauch etwas Anderes als eigentlich gedacht. So ergeht es auch dem Begriff „stattlich“: denn laut dem gelbem Duden bedeutet er

  1. von beeindruckender großer und kräftiger Statur

Beispiel: ein stattlicher Mann

  1. (in Hinsicht auf äußere Vorzüge) ansehnlich, bemerkenswert

Beispiel: ein stattliches Gebäude

Das ist eigentlich als Erklärung völlig ausreichend, doch wird „stattlich“ gerade bei Männern anders benutzt. So erzählte uns vor einer Weile ein langjähriger Freund von einer Familienfeier, bei der sich auch Personen trafen, die sich schon jahrelang nicht gesehen hatten. Der Freund, nennen wir ihn den M., wurde von einer älteren Verwandten angesprochen: „M., du bist aber stattlich geworden! Besonders von der Seite!“ M., ein gutsituierter, wohlgenährter Mittvierziger, nahm es mit Humor. Auch wenn er seit mindestens 25 Jahren nicht mehr in der Länge gewachsen ist, hat sich doch seine Silhouette an einigen Stellen inzwischen deutlich gerundet.

Und genau das ist es, was die verschobene Bedeutung dieses kleinen Wortes ausmacht: Männer werden mit den Jahren stattlich, Frauen werden dick. Vielleicht noch pummelig, was niedlich klingt, oder auch „vollschlank“. Selten habe ich gehört, dass von einer stattlichen Frau gesprochen wurde, und wenn doch, dann musste diese nicht nur besonders groß, sondern auch würdevoll im Auftreten sein. Einfach nur eine Wampe zu haben, reicht bei Frauen nicht aus – das Leben ist ungerecht.

Die dicke Dame bekennt: Auch sie ist stattlich von der Seite. Und von vorne auch!

Schön ausgedrückt – die Flatulenz

Das heutige Thema ist vielen Menschen im wahren Leben ein wenig peinlich, obwohl es völlig normal ist. Folglich ist es schwer in Worte zu fassen. „Blähungen“ ist wahrscheinlich üblich, der Ausdruck „Flatulenz“ klingt aber wissenschaftlicher und somit wichtiger.

Kochtopf über offenem Feuer

Flatulenzbringer: Chili à la Michi aus Thun

Der Duden beschreibt das Wort Flatulenz schlicht als Gasbildung im Magen oder Darm, Blähsucht oder auch als Abgang von Blähungen – so einfach kann es sein. Es gibt sogar ein Verb dazu: flatulieren. Allerdings habe ich noch nie jemanden sagen hören, dass er oder sie gerade flatuliert. Natürlich redet man im täglichen Gespräch auch weniger darüber –im Gegenteil, man versucht eher davon abzulenken, wenn einen dieses Problem gerade drückt. Deshalb bewunderte ich kürzlich eine Bekannte für ihre Ausdrucksfähigkeit, die mit einem leicht verschämten Grinsen verkündete: „Ich verliere Luft.“ Das klingt zwar ein bisschen nach einem undichten Fahrradreifen, beschreibt das Phänomen aber sehr genau und sorgte auch für viel Heiterkeit.

Ich habe mich allerdings beruflich schon viel mit dem Luftverlust, oder besser, dem fehlenden Luftverlust, beschäftigen müssen – gerade bei Babys sind Blähungen ein wichtiges Thema, das vielen Eltern den Nachtschlaf raubt. In diesem Zusammenhang habe ich allerdings das doch eher ungewöhnliche Wort „Flatulenz“ vermieden, denn ich wollte, dass jeder die Texte, die ich dazu schrieb, auch versteht. Und so erinnere ich mich an einen denkwürdigen Termin mit unserem damaligen Hausjuristen, der das Wort „Pupse“ als zu ordinär empfand und es gerne durch „Furze“ ersetzt haben wollte. Davon war ich nun wieder nicht begeistert, denn das fand ich zu derb. Man sieht, das leidige Bauchsuseln ist gar nicht so leicht zu behandeln und kann sogar juristische Debatten auslösen.

Auch ins deutsche Bildungsfernsehen fand die Flatulenz übrigens Eingang – wer einmal richtig schmunzeln möchte, begleitet den Hasen und den Elefanten hier beim Abenteuer Erbsensuppe (aus der Sendung mit dem Elefanten).

Schön ausgedrückt – Funktionskleidung

Um dieses Thema drücke ich mich schon eine Weile herum. Ich befürchte nämlich, dass ich mich mit meinen Gedanken über „Funktionskleidung“ als hoffnungslos altmodisch, wenn nicht als gar begriffstutzig oute. Meine Freundin Antje dagegen ist viel moderner, sie fragt mich oft, ob eine neue Jacke eine Funktion hat. Ich sage dann immer „ja“, denn in der Regel halten neue Jacken mich schön warm und sehen hübsch aus.

Mein Heim-Strand Dangast im Herbst – am Ende des Weges, wo man nur noch die Wahl zwischen Matsch oder Matsch hat

Allerdings musste ich vor einigen Jahren feststellen, dass der normale Mensch um die 40 wohl etwas anderes unter „Funktionskleidung“ versteht als ich: Wir trafen uns mit wirklich vielen Personen auf einem Gartenfest, es wurde eine Hochzeit gefeiert. Da es leider kühl war, trugen fast alle Leute Jacken. Vertreten waren eigentlich nur vier Marken: Jack Wolfskin, The Northface, dann das mit der Schweizer Fahne und noch irgendwas, das ich vergessen habe. Nur ganz wenige Leute trugen etwas anderes: Die Mutter der Braut war in Strick gehüllt, ein guter Freund trug Fleece und ich hatte ein solides Stück Rindsleder über dem Buckel. Wir fielen auf wie bunte Hunde, obwohl wir nicht froren – die Jacken erfüllten also ihre Funktion.

Im gleichen Jahr belehrte mich eine Dame auf Juist, dass meine Jacke – irgendeine ganz normale Jacke, über die ich bei Regen oder starkem Wind eine genau so normale uralte Regenjacke ziehe – für die Küste ganz gewiss nicht geeignet sei, ich solle mir bloß schnell eine „richtige, vernünftige“ Jacke kaufen. Als eingeborene Küstenbewohnerin fühlte ich mich da schon ein wenig veräppelt, schließlich habe ich meine norddeutsche Draußen-Kindheit ohne irgendwelche teuren Überlebensutensilien locker überlebt. Ich klärte die Dame über meine Herkunft sowie die geografisch-meteorologischen Gegebenheiten an der deutschen Nordseeküste auf, konnte sie aber eher nicht überzeugen.

Heute aber stieß ich in einem Katalog auf eine Funktion, die mich den Begriff „Funktionskleidung“ in einem ganz neuen Licht sehen ließ – vielleicht hatte ich den immer viel zu eng gefasst? Neben einem ganz normalen Langarmshirt stand zu lesen:

„Durch die praktische Krempelfunktion lassen sich die Ärmel bequem hochrollen.“

Ach so – Krempeln ist auch eine Funktion? Das hätte ich nicht gedacht. Es wird also Zeit, sich mit dem Thema „Funktionskleidung“ etwas intensiver zu beschäftigen – nicht, dass mir da was entgeht. Ich fragte Tante Google und kam zu Wikipedia. Da stand zu lesen:

„Als Funktionstextilien bezeichnet man Bekleidung und Heimtextilien aus Fasern, Garnen, Geweben und Gewirken bzw. Stoffen mit funktionellem Mehrwert.“

Aha – auf die Materialien kommt es anscheinend an. Es geht dabei um Wasser- und Winddichtigkeit, schwere Entflammbarkeit, UV-Schutz, Strapazierfähigkeit und vieles mehr. Die Materialien Goretex und Sympatex werden genannt, die die Atmungsaktivität von Kleidung fördern sollen. Es soll auch „intelligente“ Textilien geben, die leuchten, heizen oder andere kluge Dinge tun können. Vom Krempeln als besonderer Funktion steht da erst mal nichts.

Dann aber finde ich den Absatz über die sog. „Everywear“, die anscheinend auch dazugehört: Klamotten, die man bei unterschiedlichen Gegebenheiten anziehen kann. Als Beispiel werden Hosen mit kürzbaren Beinen oder Jacken mit herausnehmbaren Innenteilen genannt. Nun, da gehören Shirts mit krempelbaren Ärmeln doch gewiss auch dazu – mein Katalog hatte also recht mit seiner Werbeaussage. Nach kurzem Überlegen ordne ich meine handgestrickten Schurwollpullover auch in die Funktionskleidung ein, denn sie sind wärmeregulierend, nehmen viel Flüssigkeit auf, sind schmutz- und geruchsabweisend. Ziemlich gut, was diese Schafe da abliefern.

Google allerdings akzeptiert Wollpullis und Baumwollshirts nicht so recht als Funktionskleidung, hier werden mir fast ausschließlich die bekannten Marken, die „Outdoormode“ verkaufen, ausgegeben. Der Begriff „Funktionskleidung“ wird also kommerziell ähnlich eng gefasst, wie ich es ursprünglich getan hatte. Ich habe etwas den Verdacht, dass dieses Wort bunte Freizeitklamotten aufwerten soll. Natürlich sind diese Sachen nicht schlecht, bestimmt für draußen geeignet und modern. Aber dass man die zum Überleben in unseren Breiten unbedingt braucht, kann ich nicht so recht glauben – auch nicht, wenn mir noch mal eine Dame auf einer Insel einen Vortrag über zweckmäßige Küstenbekleidung hält.

Meike in total unprofessioneller Funktionskleidung

Schön ausgedrückt – die Anstalt

schwimmen, baden, Badeannstalt, Schwimmbad,schwarz-weiß

In der Rasteder Badeanstalt, etwa um 1974. Man beachte die kleidsamen Kopfbedeckungen!

Seit jeher gehe ich gerne schwimmen, oder oft auch einfach nur baden. Wie gut, dass es in den 70er Jahren bei uns im Ort tatsächlich ein schönes, großes Freibad gab (das gibt es übrigens noch!). Allerdings hieß diese Einrichtung damals nicht Freibad und auch nicht Schwimmbad, sondern trug den offiziellen Titel „Badeanstalt“. Dieser Begriff ist herrlich altmodisch, aber auch irgendwie komisch. Denn mit der „Anstalt“ verbinde ich zumeist etwas Negatives: die Irrenanstalt, Justizvollzugsanstalt oder Trinkerheilanstalt. War mein Vater früher albern gestimmt, meldete er sich am Telefon auch gerne mit „Katholische Hundebadeanstalt“, auch diese Erinnerung ist mir nicht angenehm (weil ich nicht wollte, dass meine Freunde dachten, mein Vater hätte einen Schuss!).

Sehe ich in den gelben Online-Duden , wird die Sache nicht heiterer, auch dieser Redaktion fällt nichts wirklich Angenehmes zur Anstalt ein. Und im Wiktionary finden sich gar noch solche öde anmutenden Dinge wie die Bundesforschungsanstalt, die Landesversicherungsanstalt oder Anstaltskleidung – schön. Tatsächlich scheint die Badeanstalt die einzige Anstalt zu sein, mit der man tatsächlich zu tun haben möchte.

Allerdings macht mich der Duden noch auf die Doppeldeutigkeit der Anstalten aufmerksam: „Er machte Anstalten zu gehen“ bedeutet so viel wie „er wirkte so/machte Andeutungen, als wolle er gehen“. Das ist ebenfalls altmodisch, ich glaube, auch in diesem Zusammenhang habe ich die Anstalten lange nicht verwendet.

Einen letzten positiven Aspekt kann ich den Anstalten jedoch noch abgewinnen, und das ist die Ver-anstalt-ung. Veranstaltungen können eine tolle Sache sein – oder auch eine schreckliche. Veranstaltungen in Badeanstalten habe ich früher immer gemocht, ich denke gerne an die Sommerfeste des Schwimmvereins zurück. Trotzdem sage ich inzwischen lieber Schwimmbad zur Badeanstalt – manchmal muss man einfach mit der Zeit gehen.

Schön ausgedrückt – Ein Fels in der Brandung

Ein Fels in der Brandung: diesen Ausdruck mag ich besonders gerne. Ich denke, jeder kann sich etwas darunter vorstellen – zumindest jeder, der schon mal an einer Küste mit Brandung war. Am Strand zu stehen und zuzusehen, wie sich immer wieder das Wasser an einem hartnäckigen Stein bricht, hat etwas enorm Beruhigendes. Und wenn man gar bei starkem Wind auf einer Klippe oder Buhne steht und sich die Gischt ins Gesicht spritzen lässt, versteht man, welchem enormen Druck diese Wellenbrecher stand halten können.

Felsen in der Brandung sind durch nichts zu erschüttern, sie trotzen jedem Sturm und sind unveränderlich dort, wo man sie erwartet. Auch im Englischen gibt es diesen Begriff: „solid as a rock“ heißt es da und meint wohl in etwa dasselbe. Das Duo Ashford & Simpson hat diesen zuverlässigen Felsen sogar besungen und damit 1984 einen internationalen Hit gelandet.

Fels in der Brandung

Fels in der Brandung – in der eher ruhigen Ostsee

Menschen, die wir Felsen in der Brandung nennen, geben uns ein gutes Gefühl: Sie zeigen uns, dass sie immer für uns da sind und nicht ausweichen, wenn der Wind von vorne kommt. Mit ihnen gibt es keine unerwarteten Positionswechsel. Das heißt nicht, dass sie einem automatisch nachgeben, zu so etwas sind sie gerade nicht gemacht: An einem Felsen in der Brandung kann man sich durchaus den Kopf stoßen, wenn man es ungeschickt anstellt. Aber nie, weil er tückisch ist und angreift, sondern weil er seinen festen Standpunkt hat und den ehrlich vertritt.

Ich bin in der guten Lage, mehrere Felsen in der Brandung in meiner Nähe zu haben. Ich finde sie in meinem Privatleben, wo ich mich teilweise schon jahrzehntelang auf sie verlasse. Aber auch im Arbeitsleben habe ich diese unglaublich zuverlässigen, loyalen Kollegen, auf die ich bauen kann und ohne die dieses wirre Arbeitsleben manchmal nicht auszuhalten wäre. Ich denke, mit dieser Felsendichte gehöre ich zu den Menschen, die sich glücklich schätzen dürfen. Das ist mir durchaus bewusst.

Schön ausgedrückt im Poesiealbum – töricht

Zum ersten Mal habe ich einen Beitrag, den ich nicht eindeutig zuordnen kann: Eigentlich sollte er für die Kategorie „schön ausgedrückt“ geschrieben werden, doch dann drängelte sich „aus dem Poesiealbum“ hinzu und verlangte Beachtung. Nun, Meikes bunte Welt ist zwar in Kategorien unterteilt, aber das ist nicht dogmatisch zu sehen. Folglich ordnen wir diesen schönen Ausdruck einfach beiden Kategorien zu:

Töricht

Einer meiner Lieblingskollegen verwendet gerne das etwas altertümlich klingende Wort „töricht“. Ich muss dann immer ein wenig lächeln, denn dieses Wort kenne ich ansonsten nur aus Kreuzworträtseln und von meinem Opa Fidi – und der war Jahrgang 1904, also eine ganz andere Generation als Daniel.

Die Bedeutung ist natürlich schnell zu klären: Der gelbe Duden erläutert, „töricht“ sei abwertend, werde nicht mehr häufig gebraucht und bedeute so viel wie unklug, unsinnig, dümmlich oder lächerlich. Also wahrlich nichts Gutes. Auch der Begriff „eselhaft“ taucht auf – sowas Ähnliches hatten wir hier schon.

Als Nomen schlägt uns der Duden „Tor“ vor, also den, nicht das. Da fällt mir spontan Goethes Faust mit seiner sonderbaren Grammatik ein: „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“ Soll heißen, er hat studiert und gemacht und getan und doch nicht das gelernt, was er gebrauchen könnte. Das ist wohl auch nichts Gutes.

Es rettet die Situation mal wieder das gute alte Poesiealbum: „Wer in der Jugend nicht töricht war, wird im Alter nicht weise sein.“ Das schrieb mir 1982 mein Onkel Heino ins Poesiealbum. Ich fand den Spruch, der anscheinend aus Island kommt, damals schon tröstlich, kam ich mir doch als Kind so oft so unwissend und töricht vor. Dieser Spruch sagte mir jedoch, dass es auch für jemanden wie mich Hoffnung gäbe, und das fand ich gut.

Denkt man die Idee ein bisschen weiter, bedeutet das, dass nur derjenige, der in seiner Jugend dümmlich und lächerlich war und unsinnige Dinge getan hat, überhaupt die Chance auf Weisheit hat. Das heißt, die Jugendlichen, die etwas anstellen, so blöd es auch sein mag, haben bessere Aussichten als die, die immer vernünftig sind. Dinge auszuprobieren, allein und ungestützt von Erwachsenen, hat etwas mit Mut und Erfindungsreichtum zu tun. Und auch aus Misserfolgen lernt man. Mit dieser Interpretation des Wortes „töricht“ als notwendiger Stufe zur Erreichung von Weisheit bin ich sehr einverstanden.

Und mit einem Lächeln denke ich an die Zugfahrt von Zinnowitz nach Bansin an einem Schultag im März: Es war Schulschluss und jede Menge junge Leute fuhren mit der Bahn nach Hause. Besonders eine Mädchenclique fiel mir auf, denn die vier Mädels wirkten besonders töricht. Zum einen sahen sie zum Schießen aus – fand ich, die ich von der heutigen Schülermode keine Ahnung habe. Die Mädels sehen das jetzt sicher anders, werden aber wahrscheinlich in zehn Jahren laut anfangen zu kreischen, wenn sie Fotos von sich im Jahr 2015 sehen (genauso geht es mir, wenn ich Fotos von mir aus den 80er Jahren sehe). Zum anderen waren die Vier unglaublich laut, lachten, gackerten und unterhielten sich über die merkwürdigsten Themen. Mir gegenüber saß eine alte Dame, die die ganze Zeit schimpfte: „Und sowat will ma Deutschland regier’n.“ Das fand ich zwar etwas weit hergeholt, denn einen Regierungsanspruch verströmte keines der vier Mädchen. Andererseits wirkten die an diesem Nachmittag dermaßen töricht, dass ich denke, dass das Land in einigen bei denen recht gut aufgehoben sein könnte.

Schön ausgedrückt – der Lustmolch

Meine Lieblingskollegin hatte aus beruflichen Gründen des öfteren ein Video durchzusehen. Der männliche Hauptdarsteller war ihr unsympathisch, denn er sah seine Partnerin auf eine Weise an, die anzüglich wirkte. „Das ist vielleicht ein Lustmolch“, fand Claudia, und ich verliebte mich spontan in diesen Ausdruck. Denn irgendwie ist er ein Paradox: Es hat doch wohl kaum etwas so wenig mit Lust zu tun wie der putzige kleine Molch.

Axolotl, Lustmolch

Sicher kein Lustmolch, aber einer meiner kleinen Lieblinge – wegen des schönen Lächelns: ein Axolotl. Bild zur Verfügung gestellt von S.Perkiewicz / http://www.pixelio.de

Der Duden gibt nicht viel her: Er beschreibt den Lustmolch als maskulin, oft werde der Begriff scherzhaft gebraucht. Als Synonym wird der „Schürzenjäger“ genannt, also „ein Mann, der ständig Frauen umwirbt, für erotische, sexuelle Beziehungen zu gewinnen sucht“. Auch in der Wikipedia ist der Lustmolch leider unterrepräsentiert, hier wird lediglich auf den gleichnamigen Roman von Christopher Moore verwiesen.

Lediglich im Wiktionary, dem Wörterbuch-Ableger der Wikipedia, wird es etwas interessanter: Denn hier wird als Oberbegriff zum Lustmolch kurzerhand „Mann“ genannt. Das finde ich gewagt und heutzutage auch ein wenig unangemessen: Es ist uns nämlich kürzlich bei einem ausgelassenen Kantinenessen aufgefallen, dass eine Gruppe von Frauen sich gegenüber dem anderen Geschlecht manchmal genau so unangemessen aufführt, wie es früher Männergruppen Frauen gegenüber vorbehalten war. Da wurde gegafft und kommentiert, es fehlte gerade noch, dass eine von uns einem gut gebauten Praktikanten auf den Hintern geklatscht hätte. Hätte sich eine Herrenrunde gegenüber einer Frau so aufgeführt, hätten wir das unmöglich gefunden. Folglich gibt es inzwischen wohl auch Lustmolchinnen – wenngleich dieses Wort nirgends auftaucht.

Wieso es gerade der arme Molch ist, der für dieses abfällige Wort herhalten muss, bleibt größtenteils ungeklärt. Vielleicht ist es gerade das Absurde, das dazu führt, dass dieses drollige Tierchen mit übersteigerten menschlichen Gelüsten in Verbindung gebracht wird – einen Lustmolch stellt man sich gierig sabbernd seine Beute verfolgend vor. Auch gilt der Molch als schleimig, und galt in früheren Zeiten sogar als giftig. Mir hingegen sind Molche ausgesprochen sympathisch, ich freue mich immer, wenn ich mal einen sehe. Und über den „Lustmolch“ habe ich mich auch gefreut, gerade weil ich Claudia zustimmen musste: Der Kerl im Video war wirklich kein Sympathieträger.

Schön ausgedrückt – die Eselei

Auf diesen schönen Begriff hat mich meine Freundin Antje aufmerksam gemacht. Die „Eselei“ kommt nämlich immer wieder in den von ihr so geliebten Kreuzworträtseln vor, einzutragen unter „Dummheit, Torheit“. Antje hat sich schon öfter darüber beschwert, dass dieser Begriff ja wohl nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Auch ich benutze die Eselei normalerweise nicht, was daran liegen mag, dass ich sowas nicht kenne – Torheiten, meine ich. Also sehen wir uns die Eselei einmal näher an.

Zuerst beginne ich mit der Online-Version des Dudens. Der sagt mir, dass die Eselei weiblich sei (ach was?), umgangssprachlich ist, selten verwendet wird und soviel wie dumme, törichte Handlung bedeutet. Viel mehr gibt es nicht über das Wort zu erfahren. Interessant finde ich jedoch, dass als Synonym auch der Begriff „Ochserei“ ausgeworfen wird, ebenfalls weiblich und von der Verwendungshäufigkeit her noch seltener als die Eselei. Ich muss darüber etwas schmunzeln, denn Ochs und Esel waren schon öfter gemeinsam unterwegs. Aber ich schweife ab. Zurück zur Eselei.

Sucht man das Wort unter Google, findet man nicht besonders viel. Ein paar Bauernhöfe sowie Cafés, wo es wohl auch Esel zu bewundern gibt, werben mit diesem Ausdruck. Es gibt nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag zur Eselei, man wird auf der Webseite jedoch freundlich aufgefordert, diesen zu erstellen. Nun, vielleicht tue ich das noch und referenziere auf diesen Blogbeitrag.

Der kluge Einstein hat den Begriff allerdings verwendet und eine seiner Theorien als seine „größte Eselei“ abqualifiziert. Diese Aussage beinhaltet für mich, dass es in Einsteins Leben auch kleinere Eseleien gegeben hat, was mir den ohnehin schon recht volksnahen Wissenschaftler noch sympathischer macht.

Interessant ist vielleicht noch, wieso der arme Esel immer wieder für so negative Begriffe wie Eselei oder Eselsohr herhalten muss. Auch die Eselsmütze, die schwachen „dummen“ Schülern früher aufgesetzt wurde, war alles andere als eine Auszeichnung. Der Esel gilt in vielen Kulturen als stur und dumm. Der Grund dafür ist wohl im typischen Verhalten von Eseln zu sehen, die anders als Pferde bei Angst und Unsicherheit einfach stehen bleiben. Sie dann zum Weitergehen zu bewegen, ist nicht einfach.

Alles in allem ist die Eselei ein veralteter Begriff, der hauptsächlich noch für Kreuzworträtsel taugt. Ich habe mir jedoch fest vorgenommen, das Wort ab und zu einmal in Gespräche einzuflechten, einfach um mich am verdutzten Gesichtsausdruck meiner Gesprächspartner zu erfreuen. Für so eine törichte Handlung bin ich immer zu haben.

Esel und Affe

Diese kleine Eselei hat mich durch meine Kindheit begleitet. Die beiden sind schon seit etwa 40 Jahren Freunde.

Schön ausgedrückt – die Hosen runterlassen

Mein Arbeitsjahr 2015 begann eigenartig: Kaum hatte ich mich an meinen Schreibtisch gesetzt und den Computer hochgefahren, klingelte das Telefon – ich hatte noch nicht mal einen Kaffee. Dran war ein lieber Kollege aus der Technik, der ein frohes neues Jahr wünschte und mir dann mitteilte, dass er „die Hosen runterlassen“ wolle. Natürlich kenne ich diesen Begriff und wusste, was er mir damit sagen wollte. Trotzdem konnte ich es nicht verhindern, dass das Kopfkino loslief, ich den guten Mann unbehost vor mir sah und danach den Rest des Tages wechselnd mit einem roten Kopf und Anfällen von eingebildeter Blindheit zu kämpfen hatte. Und das war mir Anlass genug, um einmal über diese schöne Redensart nachzudenken.

Wenn man den Begriff googlet, stellt man fest, dass ich nicht die Einzige bin, die sich darüber bislang Gedanken gemacht hat. In etlichen Foren wird darüber sinniert, wo der Ausdruck eigentlich her kommt, allerdings ohne wirkliches Ergebnis. Was er bedeutet, ist eigentlich jedem klar: Der Redensarten-Index erklärt „die Hosen runterlassen“ mit: „die Wahrheit sagen; etwas gestehen / bekennen“. Und der Duden bezeichnet den Ausdruck als salopp und mit der Bedeutung: „etwas bisher Verschwiegenes preisgeben, die Wahrheit bekennen“. Auch der Ausruf „Hosen runter“ wird als Aufforderung, die Karten aufzudecken, genannt. Allerdings widmet der Duden diesen Redensarten keine eigene Überschrift, sondern integriert sie in die Beschreibung des Wortes „Hose“. Und hier wird es nun richtig interessant, obwohl es im wahren Leben doch kaum so etwas Langweiliges gibt wie die Hose:

Eine Hose ist a: ein „Kleidungsstück, das den Körper von der Taille an abwärts und jedes der Beine ganz oder teilweise bedeckt“ und bezeichnet b: „Schlüpfer, Unterhose“. Dazu kommt noch allerhand Tierisches, was mich in diesem Zusammenhang nicht interessiert.

Unterhosen

Bild „3 tote Unterhosen“ zur Verfügung gestellt von Otto Wenninger / http://www.pixelio.de

Schön finde ich aber den guten alten „Schlüpfer“, diesen Begriff habe ich schon lange nicht mehr gehört. Da gibt es modernere, erwachsenere Ausdrücke: Gehe ich zum Beispiel auf die Seite eines bekannten Textilienversenders aus Hamburg, finde ich im Bereich Wäsche natürlich auch Unterhosen. Die heißen aber nicht mehr so, und schon gar nicht „Schlüpfer“. Vielmehr finde ich dort Slips, Strings und Panties – bei den Damen. Woanders gucke ich ja normalerweise nicht. Der guten Ordnung halber (schließlich bin ich dem Kollegen das schuldig) gucke ich auch noch bei den Herren. Und da, tatsächlich, finde ich ein deutlich breiteres Sortiment an Buxen als bei den Frauen! Das gibt es in der Mode eigentlich kaum, sonst kommen die Männer immer deutlich schlechter weg! Ich finde bei Otto Boxershorts, Hipster, Schlüpfer, Slips & Strings sowie lange Unterhosen.

Was der Kollege nun genau runterlassen wollte, ob nur die Jeans oder auch sein bevorzugtes Wäschestück, hinterfrage ich lieber mal nicht, das will ich gar nicht wissen. Er wollte etwas beichten (für das ER gar nichts konnte, nebenbei bemerkt) und ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, so wie es wohl den meisten nicht wohl wäre bei der Idee, untenrum nackend in der Öffentlichkeit herumzustehen (die vielen Sonderlinge, die gerade das immer wieder auf meinen Blog führt, nun mal außen vor gelassen). So erklärt sich die Herkunft des Begriffs wahrscheinlich auf ganz einfache Weise.

Auf jeden Fall hat mir dieser Ausdruck viel Spaß gemacht, auch wenn ich in Alte-Damen-Manier vom eigentlichen Thema abgekommen bin. Ich danke daher Guenter für die Inspiration und bin froh, dass ich auch in diesem Fall mal wieder sagen konnte: „Das macht Sustain!“

Schön ausgedrückt – die diskreten Namen der Toilette

Der eine oder andere wird mir vielleicht unterstellen, irgendwie auf dieses Thema fixiert zu sein, doch es ist wirklich Zufall, dass relativ kurz nach dem Beitrag über das „draußen pinkeln“ nun das „drinnen pinkeln“ dran ist. Denn jeder benutzt sie, doch sie wird gerne totgeschwiegen: die Toilette, umgangssprachlich auch Klo genannt. Darüber habe ich noch nie so nachgedacht wie nach einem Geschäftstermin Anfang dieses Monats.

Wegweiser zur Toilette

Wegweiser auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt: Hier werden Babys gewickelt und Männer pieseln auf den Boden.

Der Anstoß für meine Überlegungen war ein ganz simpler: Ich stand mal wieder tierisch auf der Leitung. Wir hatten eine Kollegin aus der Schweiz zu Besuch, mit der wir Englisch sprachen. Gleich nach ihrer Ankunft verkündete sie: „I have to wash my hands.“ Ich dachte, dass sie sich nach der Anreise etwas schmuddelig fühlt – ein Gefühl, dass ich nach längeren Fahrten auch immer habe – und zeigte ihr den Waschraum. Zwei Stunden später ging sie schon wieder zum Hände waschen. Und dann nochmal – obwohl wir einfach nur gesprochen und gar nicht im Matsch gewühlt hatten. Ich war verwirrt und musterte die Hände der Kollegin. Die waren sauber und gepflegt, zeigten aber keinerlei Spuren eines Waschzwangs. Und endlich dämmerte es mir, dass die Kollegin nicht nur zum Hände waschen ging, sondern sich gleichzeitig auch noch das Näschen gepudert und die Lippen nachgezogen hatte. Sie war also einfach mal ums Eck gegangen, für kleine Mädchen, wenn nicht gar für Tigermädchen. Oder auch einfach nur mal „wohin“.

Ich erinnerte mich an einen Praktikanten, der vor einer Weile wegen seiner lautstarken Hilfsbereitschaft von uns belächelt wurde. Es wurde eine Kollegin gesucht, die Platznachbarin sagte: „Sie ist gerade nicht am Platz, kommt aber gleich wieder.“ Der Praktikant rief von hinten: „Die is auf’m Klo!“ Allgemeines Kichern war die Folge. Der junge Mann verteidigte sich verwundert: „Das stimmt, ich habe sie da gerade reingehen sehen. Die muss gleich fertig sein.“ Er hatte natürlich recht, die Gesuchte tauchte unmittelbar danach wieder auf – offensichtlich war sie fertig geworden. Trotzdem sorgte die kleine Indiskretion für ein amüsiertes Lächeln bei allen, die in der Öffentlichkeit lieber auf 17 gehen als zur Toilette.

Besonders gut gefiel mir der Name, den eine ältere Kollegin immer für eine Toilettenpause verwendete: Sie sagte, sie besuche das Spiegelkabinett. Das klingt glänzend, festlich und einfach schön. Deutlich schöner als das großväterliche „Ich muss kurz austreten“, mit dem sowohl mein Opa als auch Kollege Axel mich früher verwirrten. Als Opa das damals sagte, verstand ich nicht, wo er genau hintreten wollte. Und als Axel es sagte, konnte ich nicht glauben, dass jemand diesen altbackschen Begriff tatsächlich noch verwendet. Den kennt übrigens auch der Duden und übersetzt „austreten müssen“ mit: „einen Raum verlassen, um seine Notdurft zu verrichten“. Hätte mein Opa mir das früher so gesagt, hätte ich wohl auch nicht mehr verstanden.

Gewiss gibt es noch unzählige Namen für das stille Örtchen, die mir hier nicht eingefallen sind. Wer mag, darf seinen Favoriten oder auch regionale oder dialektale Spezialausdrücke gerne in einen Kommentar schreiben, um die Sammlung zu vervollständigen.