In der Hitze der Nacht

Die Hitzewelle der letzten Wochen hat mich dazu gebracht, mal wieder einen meiner absoluten Lieblingsfilme anzugucken. Bei 36 Grad im Schatten saß ich eingeigelt in meiner Wohnung, genoss das Pusten des Ventilators und guckte

In der Hitze der Nacht

Darum geht es:

Der Film aus dem Jahr 1967 thematisiert das Thema Rassismus in den Südstaaten der USA sehr eindringlich, ist aber zeitgleich auch ein packender Krimi. Kurz zur Handlung: Der farbige Polizist Virgil Tipps (Sidney Poitier), hochrangiges Mitglied der Polizei in Philadelphia und auf Mordfälle spezialisiert, befindet sich auf der Durchreise und muss auf dem Bahnhof der Kleinstadt Sparta/Mississippi auf einen Anschlusszug warten. Zeitgleich wird in der Stadt ein Ermordeter aufgefunden. Prompt wird der in der Bahnhofshalle Wartende, ohne jeglichen Beweis oder auch nur ein Verdachtsmoment, wegen Mordes verhaftet. Den anwesenden Polizisten der Polizeiwache reicht allein seine Hautfarbe sowie das Geld in seinem Portemonnaie, um ihn für schuldig zu erachten. Auch der Leiter der Wache, der noch recht neue Chief Gillespie (Rod Steiger), zweifelt nicht an Tibbs Schuld, muss jedoch zu seinem Verdruss feststellen, dass dieser nicht nur ein Kollege ist, sondern in der Hierarchie höher steht und auch noch deutlich besser verdient als er selbst.

Nach einigem Hin und Her muss die Polizei Sparta den Mordexperten Tibbs an den Ermittlungen teilhaben lassen. Es kommt zu rassistischen Vorfällen: Ein hochgestelltes Mitglied der Gemeinde ohrfeigt den schwarzen Polizisten und möchte ihn am liebsten lynchen lassen, als dieser ohne zu zögern zurückschlägt. Eine Gruppe Halbstarker versucht, den Polizisten zu stellen und zumindest zusammenzuschlagen, scheitert jedoch an dessen Gegenwehr sowie durch das Eingreifen Gillespies, der von seinem farbigen Kollegen zwar nicht begeistert ist, es jedoch als seine Pflicht ansieht, diesen zu schützen.

Mit der Zeit kommt es zu einer Annäherung zwischen Tibbs und Gillespie, beide empfinden durchaus Sympathie füreinander. Der Schluss ist ein spannender Showdown, bei dem nicht nur der Mord aufgeklärt wird, sondern auch die ganze Bigotterie der rassistischen Kleinstadtgesellschaft klar zum Ausdruck kommt. Tibbs und Gillespie trennen sich als Freunde, auch wenn es unwahrscheinlich scheint, dass sie einander jemals wiedersehen werden.

Was ist das Besondere?

Obwohl der Film sehr spannend ist und etliche schnelle, spannende Szenen enthält, ist die Hitze, die sowohl tagsüber als auch nachts vorherrscht, ein ganz wichtiger Teil der Handlung. Alles wirkt klebrig, beinahe kann man den Schweiß durch den Fernseher riechen. Die Menschen bewegen sich größtenteils träge, die Ventilatoren quirlen wie missmutig in der dicken, schwülen Luft herum und man bekommt den Eindruck, dass es in der ganzen Stadt nicht genug Luft zum Atmen gibt. Das hebt die Enge dieser Kleinstadt, in der man auf einige wenige Arbeitgeber angewiesen ist, sowie die klare Hierarchie, die vorherrscht, noch hervor. Auch der allgegenwärtige Rassismus wird so offen vorgetragen, dass einem schier die Luft wegbleibt.

Was gibt es noch?

Der Film war für viele Preise nominiert. Unter anderem bekam er fünf Oscars, wobei bezeichnenderweise Sidney Poitier, der farbige Hauptdarsteller, leer ausging, wohingegen Rod Steiger ihn bekam. Da die Figur des Gillespie im Film die deutlich größere Wandlung durchmacht, die Steiger mit minimaler Mimik wirklich großartig darstellt, geht das für mich in Ordnung, zumal Poitier tatsächlich schon 1964 als erster farbiger Hauptdarsteller einen Oscar erhalten hatte.

Drollig finde ich, wie der Film mit Klischees spielt: Virgil Tibbs, der verachtete Farbige, ist im ganzen Film der einzige attraktive Mann: Gut angezogen ist er, scheint nicht ständig zu schwitzen, ist höflich und argumentiert sachlich. Die meisten anderen, auch die Polizisten, wirken irgendwie schmuddelig und leicht geistig minderbemittelt. Lediglich die Frau des Mordopfers, die auf der Teilnahme es fremden Polizisten an den Ermittlungen besteht, ist gepflegt, adrett und dynamisch.

Das wirft eigentlich ein ganz passendes Licht auf Rassisten, was angesichts des Alters des Films bemerkenswert ist.

Die 12 Geschworenen

Im Rahmen meiner Filmguckrunde, die sich in unregelmäßigen Abständen zum „Bildungsfernsehen“ trifft, sehen wir uns ganz unterschiedliche Filme an. Dabei vermeiden wir das Mittelmaß: Die Filme, die wir uns aussuchen, sind entweder richtig gut oder grottenschlecht, oder auch irgendwie speziell. Alles hat seine Berechtigung, und der Kaffeeklatsch, der unabdingbar dazu gehört, rundet die Sache immer sehr schön ab. Kürzlich sahen wir einen meiner Lieblingsfilme:

Die 12 Geschworenen

Die 12 GeschworenenEines vorab: Es gibt von diesem Stoff mehrere Verfilmungen. Wir sahen die Version von 1957, die im Jahr darauf diverse Auszeichnungen gewann, darunter den Oscar für den besten Film, die beste Regie und das beste adaptierte Drehbuch.

Darum geht es:

Ein amerikanischer Mordprozess: angeklagt ist ein junger Mann, der seinen Vater umgebracht haben soll. Der Prozess ist schon fast zuende, die Geschworenen ziehen sich ins Geschworenenzimmer zurück, um über Schuld oder Nichtschuld zu beraten. Es ist Hochsommer, im Raum ist es brüllend warm, die meisten der ausschließlich männlichen Geschworenen möchten nur eines: Schnellstmöglich nach Hause. Also wird ohne große Beratung abgestimmt, schuldig oder nicht schuldig? 11 der Männer sind für schuldig, nur einer stimmt dagegen. Und das nicht, wie er selber einräumt, weil er von der Unschuld des jungen Mannes überzeugt ist, sondern weil er sich die Zeit nehmen möchte, alle vorgelegten Beweise noch einmal ausgiebig zu würdigen. Gleiches verlangt er auch von den anderen Männern, denn seiner Meinung nach ist es fahrlässig, innerhalb weniger Minuten eine Entscheidung zu treffen, die in einem Todesurteil enden würde.

Es entwickelt sich ein spannendes Hin und Her mit vielen Diskussionen, gegenseitigen Anschuldigungen und Frontenbildung. Beweise werden widerlegt oder zumindest angezweifelt, Motive in Frage gestellt. Dabei geht es irgendwann nicht mehr um das Motiv des Angeklagte, sondern auch um das, was die Zeugen oder die Jurymitglieder antreiben könnte.

Das ist das Besondere:

Der Film entwickelt eine starke Dynamik und ist unglaublich spannend. Das ist insofern ungewöhnlich, als das im Grunde nicht viel passiert. Die ganze Handlung findet in dem kleinen Geschworenenzimmer statt, keine Actionszenen, keine Verfolgungen, keinerlei andere Bestandteile, die einen derartigen Film sonst kennzeichnen. Er lebt von der Darstellungskraft der sehr gut ausgewählten Schauspieler und dem hervorragenden Drehbuch.

Allerdings bietet der Film keine einfachen Lösungen an. Schuld oder Unschuld, das wird hier nicht entschieden. Es geht um Vorurteile, Vorverurteilung und Diskriminierung. Und auch darum, dass ein vollstrecktes Todesurteil keine Revision zulässt. Es wird über einen Menschen gesprochen, der es, auch wenn alles gegen ihn spricht, verdient hat, dass man sich Zeit für ihn nimmt.

Was gibt es sonst noch:

Auch dieser Film ist für mich eine spannende Zeitreise. Diese etwas verstaubt wirkenden Herren mit ihren Hüten und Krawatten, die förmliche Art, wie sie miteinander umgehen – das alles wirkt sehr weit weg. Und doch ist es gerade mal 60 Jahre her.

Mein Lieblingsbuch – Der Seewolf

Der Seewolf, TaschenbuchBeim ARS-Stammtisch sprachen wir über unsere Lieblingsbücher. Gar nicht so einfach, sich da für eines zu entscheiden. Ich schwankte zwischen dem Klassiker „Schachnovelle“, dem kunterbunten Indienroman „Palast der Winde“ und meinem geliebten „Es begann im Regen“, einer kitschigen Liebesschnulze, die ich immer lese, wenn ich krank bin. Doch dann landete ich bei Jack Londons „Der Seewolf“.

Dieses schon 1904 erschienene Buch übt auf mich eine ungeheure Faszination aus. Ich mochte es schon in der Jugendausgabe, die fast bis zur Unkenntlichkeit gekürzt und so auf ein reines Seefahrtsabenteuer reduziert wurde. Als ich dann das erste Mal die Gesamtausgabe las, mit all ihren philosophischen Gedanken, war ich wie erschlagen. Und das liegt nicht nur an der Geschichte, die zwar spannend, aber nicht ungewöhnlich ist, sondern an der Figur des Kapitäns: Wolf Larsen, der Seewolf. Man spürt die Angst, die dieser Kapitän unter seiner Mannschaft verbreitet, auf jeder Seite. Nach jedem Lesen begleiten mich seine Gedanken, so roh und unmenschlich sie auch sein mögen, tagelang. Daneben verblasst der Ich-Erzähler Humphrey, obwohl er um ein Vielfaches gebildeter und menschenfreundlicher ist als der Seewolf. Auch wenn Humphrey am Ende überlebt und der Seewolf an einer Krankheit stirbt, also bei Weitem nicht so unverletzlich ist, wie er erscheinen möchte, ist es doch der böse Charakter, der mich in seinen Bann zieht. Dieses Buch wirkt lange nach und bietet bei jedem Lesen nochmal etwas Neues.

Der Seewolf, DVDAnmerken möchte ich noch, dass es von dieser Geschichte sehr viele Ausgaben und Versionen gibt: Bücher, Hörbücher und Verfilmungen in unterschiedlichster Werkstreue und Qualität. Die für mich interessanteste Verfilmung – wenngleich meilenweit von der Buchvorlage entfernt – ist die aus den 70er Jahren mit dem wunderbaren Raimund Harmstorf als Wolf Larsen. Denn so, genau so stelle ich mir den Seewolf vor. Und das liegt nicht nur an der legendären Kartoffel!

(Dieser Artikel erschien vor einiger Zeit bereits sehr ähnlich auf dem Blog von ARS (Autoren Rhein-Main Szene) – schaut doch mal rein)

Fire and Salt – ein unerwarteter Spaß

Am Mittwoch war also mal wieder Sneak Preview mit Maike. Vor der Vorstellung überlegten wir, was wir wohl zu sehen bekämen. Wie fast immer waren wir uninformiert darüber, was überhaupt in den nächsten Wochen anlaufen würde, so dass wir es einfach auf uns zukommen ließen. Und das war gut so, denn von der Perle, die man uns dann präsentierte, habe ich noch nie zuvor gehört.

Ich habe übrigens vor, hemmungslos zu spoilern und meine Meinung kundzutun – wer den Film also noch sehen möchte, möge sich gut überlegen, ob es nicht besser wäre, hier mit dem Lesen aufzuhören.

Kakteen spielten auch eine kleine Rolle. Bild zur Verfügung gestellt worden von Axel Schwalke / http://www.pixelio.de

Der Vorstellung ging auch dieses Mal nach einigem Vorgeplänkel los und wir guckten neugierig auf die eingeblendete Filmfirma. Unbekannt. Verdächtig erschienen allerdings die ganzen „Filmförderungs-Logos“ – das roch nach Kunst. Und dann die Aufklärung: „Ein Werner Herzog-Film“. Drehbuch und Regie Werner Herzog – aha. Das ist doch ein ganz Bekannter, dachte ich, und war gespannt, was nun kommen würde. „Thriller“, stand auf der Leinwand, und dann „Veronika Ferres“. Nochmal aha.

Um ehrlich zu sein, sehe ich Veronika Ferres recht gerne, wenn sie ein gutes Drehbuch hat, ist sie in meinen Augen eine wirklich gute Schauspielerin. Die Zuschauer sahen das offenbar anders, der Name löste keine Begeisterungsstürme, sondern eher allgemeines Stöhnen aus. Ich stöhnte auch, hinterher, was allerdings weniger an Frau Ferres lag als vielmehr an den unglaublich dümmlichen Texten und Handlungen, die man ihr auferlegt hat. Dagegen konnte sie nicht anspielen – niemand hätte das gekonnt.

Aber fangen wir von vorne an: Die Grundidee des Films fand ich wirklich gut. Eine internationale Delegation von drei Wissenschaftlern reist in ein südamerikanisches Land, um über eine Umweltkatastrophe zu berichten, und wird schon am Flughafen entführt. Das war soweit alles recht schlüssig, auch wenn die Personen einigermaßen blauäugig in ihr Verderben stolperten: Gepäck verschwunden, der abholende Partner war ein ganz anderer als angekündigt, der Tagungsort war plötzlich auch ganz woanders, bitte steigen Sie in diese Maschine – ja, klar, warum nicht. Kann man so machen, sollte man aber nicht. Aber gut, Film ist Film, wir nahmen das so hin. Dann wurde es jedoch langsam, aber sicher, völlig absurd.

Nach einem wilden Kampf in der Flughafenhalle – besonders tat sich Herr Doktor Meier hervor – wurde die Gruppe getrennt und in Autos verfrachtet. Man fuhr mit mehreren Fahrzeugen zu einer Villa. Die beiden Herren der Delegation waren für den Fortgang der Geschichte ganz offensichtlich überflüssig, die hatte man nur gebraucht, um den Anfang des Films ein wenig auszupolstern. Folglich speiste man die beiden Doktoren mit vergifteten Fladen und in der Zeit, die Frau Doktor Sommerfeld benötigte, um unter Protest – „Ich verlange sofort freigelassen zu werden!“ – eine Tasse Tee zu trinken, bekamen ihre Begleiter den Durchfall des Jahrhunderts und verschwanden in den sanitären Anlagen ihres Gefängnisses. Frau Doktor wurde in ein gemütliches Zimmer gesperrt, spähte aus den vergitterten Fenstern, fand sich gut bewacht und machte erst mal ein Selfie – denn ihr Tablet hatte sie immer dabei. Diese Selfie-Leidenschaft der bedauernswerten Geisel sorgte selbst bei den größtenteils jungen Zuschauern immer wieder für Lacher.

Der Thriller nahm seinen Lauf: Frau Doktor unterhielt sich mit einem maskierten Geiselnehmer, offenbar dem Boss der Entführung. Der nahm recht früh die Maske ab und gab sich als Chef der Firma zu erkennen, die die Umweltkatastrophe verursacht hatte – natürlich vor seiner Zeit. Trotzdem wurde der arme Mann, dem man die Seelenqualen im gemarterten Gesicht in jeder Szene ansah, von seinem Gewissen geplagt. Was das mit der Entführung sollte, erschloss sich mir trotzdem nicht, und auch Frau Sommerfeld musste immer wieder nachfragen: „Was wollen Sie von mir?“ Ja, das hätten wir auch gerne gewusst.

Die ersten Zuschauer verließen das Kino, wir nicht. Dafür war die Sache in ihrer Absurdität viel zu lustig. Immer wieder lag man vor Lachen fast lang, es wurde eifrig geschwätzt, auch wenn man seine Nachbarn gar nicht kannte. Einige googleten – worum sollte es da gehen? Wo liefen die da rum? Aha, Bolivien – dann wussten wir das schon mal.

Es passierte so allerhand. Es ging in den quälend hölzernen Dialogen um Gerichtsprozesse gegen Tiere und einen römischen Faltenwurf, Frau Doktor machte auf dem Rücken liegend Gymnastik und ein Rollstuhlfahrer erhob sich, um – martialisch das Maschinengewehr schwenkend – auf seinen eigenen zwei Beinen herumzulaufen. Das hatte alles keinerlei Spannung, war aber lustig.

Irgendwann gingen Entführer und Entführte zusammen auf einen Ausflug, besichtigten einen Friedhof für Lokomotiven, einen Vulkan und einen gigantischen Salzsee – der sollte die Katastrophe darstellen. Giftig und aggressiv, außerdem in seiner Ausdehnung ständig zunehmend. Das war wiederum recht gut ausgedacht, zumal der nahe Vulkan die Gemengelage wohl noch verschärfte. Frau Doktor hatte neben dem ewigen Tablet noch eine Art Opernglas dabei, informierte sich eifrig und trug dabei ein Sonnenhütchen, dass ihr das Aussehen einer Brockenhexe verlieh. Damit hätte Frau Ferres auch bei Harry Potter mitspielen können. Und während endlose Plattitüden ausgetauscht wurden, luden fleißige Helfer Wasserflaschen und Campingmaterial aus.

Salzwüste – so sah das da aus. Bild zur Vefrügung gestellt von qayyaq / http://www.pixelio.de

Der Film lief gnadenlos seinem Höhepunkt entgegen. Frau Doktor wurde in der Wüste ausgesetzt, zusammen mit zwei blinden Kindern, deren Sprache sie nicht sprach. Wo die herkamen, blieb erst mal im Verborgenen, sie standen halt einfach da herum, nachdem die Autos abgefahren waren. Man sah dieser ungewöhnlichen Patchworkfamilie also beim Budenbauen zu, sah, wie ein Kind an einer Zwiebel roch und ein anderes notdürftig gewaschen wurde. Des nachts sang Frau Doktor „Der Mond ist aufgegangen“, zwei Strophen lang, und das Publikum explodierte fast. Am nächsten Tag wurde Ludo gespielt, das scheint das optimale Spiel für blinde Kinder zu sein. Die Jungen haben geschummelt und Frau Doktor würfelte eine Sechs.

Irgendwann schien doch noch ein wenig Spannung in die Sache zu kommen – das Wasser ging zur Neige. Doch dann hörte eines der Kinder ein Auto. „Ich höre nichts!“, sagte Frau Doktor und setzte eine Brille auf. Die trug sie dann, als sie abgeholt wurden und noch ein wenig mit dem Tablet herumspielten: Es wurden Fotos gemacht mit interessanter Perspektive – ein Stoffdino in der Wüste und so. „Diese Fotos werden mich ins Gefängnis begleiten“, hauchte der Geiselnehmer und schenkte Frau Doktor ein Flugticket zum römischen Faltenwurf, und man dachte, dass er und seine Geisel nun endlich mal ein wenig Sex haben würden. Aber auch das blieb uns versagt. Das letzte, was wir sahen, war ein einsamer Rollstuhl in der Salzwüste – Hurz!

Natürlich kann man mir nachsagen, dass mir für diese Art von Film der intellektuelle Zugang fehlt – das ist ganz wahrscheinlich richtig. Trotzdem scheute ich mich nicht, meinen Bewertungszettel in die Abstimmbox mit dem Daumen runter zu stecken. Dort befanden sich etwa 95% der Zettelchen, wenngleich das vielfach diskutiert wurde. Viele Zuschauer fanden, dass der Film das eigentlich nicht verdient hätte, denn so viel hätte man schon lange nicht mehr gelacht. Aber ob es dafür unbedingt einen Thriller braucht? Und in der Produktion haben auch Arte und das ZDF mitgewirkt – ich will ja nicht hoffen, dass die dafür meine Gebühren verwendet haben!

Das Haus am Eaton Place

Lange schon habe ich keine DVD-Empfehlung mehr veröffentlicht, doch nachdem ich viele Tage lang Freude an dieser alten Fernseh-Serie hatte, wird es mal wieder Zeit.

Darum geht es:

Eaton Place KomplettboxDie Serie, die im Original „Upstairs – Downstairs“ heißt, dreht sich um das Leben im Haus der wohlhabenden Familie Bellamy. Die Geschichte beginnt 1903 und erstreckt sich über rund 30 Jahre. Personen kommen und gehen, sowohl oben und unten.

Erzählt wird sowohl das Leben der Herrschaft in dem großen Haus, also der Familie Bellamy, als auch das des Gesindes. In den oberen Räumen leben der bodenständige Abgeordnete Richard Bellamy mit seiner adeligen Frau (die unter ihrem Stand geheiratet hat und deren Vermögen den großzügigen Lebensstil ermöglicht) mit ihren zwei fast erwachsenen Kindern: Der flatterhafte und leichtsinnige Sohn James ist bei der Armee, die Tochter Elisabeth kommt nach dem Besuch einer Schule für höhere Töchter heim und möchte die Welt verändern. In den Kelleräumen und den Bodenkammern hingegen leben und arbeiten die Angestellten: Der konservative, stets würdevolle und überlegt handelnde Butler Hudson, die energische Köchin Mrs. Bridges sowie Dienstmädchen, Küchenhilfen und andere hilfreiche Geister. Die Bereiche sind streng getrennt, die Räume der Herrschaft dürfen vom Gesinde nur betreten werden, wenn die Arbeit es erfordert, und auch dann nicht von jedem. Auch innerhalb der Dienstbotenrunde herrscht eine strenge Hierarchie.

Das ist das Besondere:

Interessant ist zum einen die große historische Genauigkeit der Serie. Leben und Wirken aller Figuren sind genau in die tatsächlichen Geschehnisse eingebettet. So findet sich Tochter Elisabeth in jugendlichem Ungestüm plötzlich mitten in der Suffragetten-Bewegung wieder (und zieht eines der Hausmädchen mit hinein), es werden Könige beerdigt, Kriege durchlebt. Die Titanic sinkt, das Geld wird knapp, die Gesellschaft ändert sich. Und mit all diesen Veränderungen müssen die sehr realistisch gezeichneten Figuren klarkommen. Nicht nur denen „Oben“ gefällt die zunehmende Emanzipation der Hausangestellte nicht immer, auch innerhalb des Gesindes gibt es den einen oder anderen, der lieber die alten, deutlich schlechteren Zustände betonieren möchte.

Die Serie ist so tatsächlich lebendiger Geschichtsunterricht. Erstaunt hat mich, dass die Handlung durchaus so manche nicht jugendfreie Geschichte erzählt. Das wundert mich nicht nur, weil diese kleinen Handlungsstränge extrem fantasievoll sind (das „wer mit wem“ ist deutlich spannender als in vielen anderen Serien), sondern auch, weil es sich um eine Familienserie handelt, die Anfang der 70er Jahre gedreht wurde. Dafür ist die Sache recht freizügig, und es gibt durchaus nicht nur Blümchensex – wenngleich auf explizite Szenen natürlich verzichtet wurde. Als Kind, als ich die Serie mit den Eltern zum ersten Mal sah, habe ich diese Handlungsteile sicher gar nicht verstanden.

Was gibt es noch:

Sollte man mit der Anschaffung der Serie auf DVD liebäugeln, empfehle ich, die Komplettausgabe aus der Reihe „Fernsehjuwelen“ zu wählen. Hier sind alle Folgen vollständig enthalten, also inclusive nicht ausgestrahlter Folgen und in ganzer Länge. Ab und zu hat man dann zwar einen Schnipsel auf Englisch dabei, aber das ist für mich angenehmer als nur die gekürzten deutschen Versionen zu haben.

Amüsant fand ich, dass einige Folgen nur in schwarz-weiß zur Verfügung standen. Dies liegt in einem Technikerstreik begründet, kann man auf dem Bildschirm lesen – anscheinend streikten diejenigen, die für die Farbe zuständig waren. Ich hoffe, sie konnten sich durchsetzen. Mir hat die schwarz-weiße Gestaltung nichts ausgemacht. Eher noch kam mir das vertraut vor, hatten wir doch zuhause in dieser Zeit auch nur einen schwarz-weiß-Fernseher.

Fünf Zimmer, Küche, Sarg

Mit einigen Freunden treffe ich mich in losen Abständen zu einer unheimlich entspannten Veranstaltung: dem sogenannten „Bildungsfernsehen“. Dies beinhaltet in der Regel einen ausgedehnten Kaffeeklatsch sowie mindestens zwei Filme. Sehr beliebt ist es zum Beispiel, auf der Raumfähre Orion nach Haushaltsgegenständen zu gucken oder in uralten schwarz-weiß-Filmen zu schwelgen. Beides gab es auch dieses Mal, dazu aber auch einen Film aus 2014: Das Werk

Fünf Zimmer, Küche, Sarg

wurde mir von befreundeten zwei Juristen empfohlen, nach außen hin ganz seriöse Leute. Daher folgte ich diesem Filmvorschlag und ich muss gestehen, ich war uneingeschränkt angetan davon. Dabei bin ich eigentlich überhaupt kein Fan von Vampirfilmen. Doch dieses dokumentarisch aufgemachte Filmstück hat mit der romantischen Verklärung vieler anderen Filme dieses Genres überhaupt nichts zu tun, hier wird schonungslos die Realität gezeigt.

Darum geht es: Echte Vampire und ihr Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft – dieses interessante Stück Nachtleben verfolgt ein Kamerateam live und in Farbe. Ob beim Aufwecken, bei WG-Besprechungen, der täglichen Nahrungsbeschaffung oder dem jährlichen Ball – die Kamera ist stets dabei und dokumentiert unter latentem Einsatz des eigenen Lebens die manchmal allzu menschlichen Probleme in dieser ungewöhnlichen Männer-WG. Spannungen im üblichen Rahmen ergeben sich schon allein dadurch, dass die Mitglieder sehr unterschiedlich im Alter sind – Hausarbeit will man dem über 8.000 Jahre alten Petyr nicht mehr zumuten, alle anderen sollen aber bitte zumindest alle paar Jahre mal das blutige Geschirr spülen. Ist doch peinlich sonst, wenn mal Besuch kommt …

Über den Inhalt möchte ich gar nicht mehr so viel schreiben – wer das ganz genau wissen möchte, kann sich den entsprechenden Artikel auf Wikipedia suchen, der wirklich hemmungslos jedes Detail ausplaudert. Auch die offizielle Webseite ist sehr informativ: http://5zimmerkuechesarg.weltkino.de/#home

Das ist das Besondere: Neben der guten Idee gefiel mir vor allem diese ungehemmte Freude am Blödsinn, die der Film ausstrahlt. Natürlich ist das alles Quatsch, aber der ist so nett gemacht, dass ich den Film von vorne bis hinten genießen konnte – selbst als ich zusehen musste, wie das Abendessen verunglückte und auf das Sofa spritzte und nicht in den hungrigen Vampir.

Außerdem predigt der Film erfolgreich die Toleranz: Man lernt, dass man sich mit etwas Mühe mit jedem Wesen befreunden kann – und sei es auch ein Mensch oder gar Schlimmeres. Auch Altersunterschiede lassen sich gut überbrücken – man muss es nur wollen.

Gelernt habe ich durch diese Dokumentation natürlich allerhand: Ich wusste bislang nicht, das Vampire kein Silber vertragen. Und auch darüber, wie schwierig es ist, sich für einen festlichen Anlass so richtig aufzubrezeln, wenn man kein Spiegelbild hat, habe ich bislang noch nie nachgedacht. Mein Horizont wurde mal wieder erweitert, was für ein Glück.

 

Wild Tales – Jeder dreht mal durch

Ich war mal wieder im Kino. Das tue ich recht oft, aber nur selten habe ich das Bedürfnis, sofort am nächsten Morgen einen Beitrag darüber zu schreiben. Der Grund dafür ist dieses Mal ein ganz einfacher: Der Film, eigentlich ein Auswahl-Kompromiss, war grandios! Wir sahen

Wild Tales – Jeder dreht mal durch

Filmankündigung am Harmonie-Kino

Der argentinische Film des Drehbuchautors und Regisseurs Damián Szifrón wurde in einigen Ankündigungen als „Episodenfilm“ bezeichnet, was die Sache aber nicht so recht trifft. Es handelt sich vielmehr um sechs Kurzfilme, die in sich völlig abgeschlossen sind und inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Die Klammer zwischen ihnen ist lediglich, dass in ihnen jemand ausrastet – irgend jemandem reicht es, und er oder sie richtet darum zumindest ein riesiges Durcheinander an. Es wird geschrien, geprügelt und gebombt, dass es eine wahre Freude ist.

Auf eine ausführliche inhaltliche Wiedergabe der sechs Geschichten möchte ich hier verzichten, wer sich darüber informieren möchte, kann das sehr gut im entsprechenden Wikipedia-Artikel nachlesen, der lückenlos spoilert.

Ich möchte nur darauf eingehen, was mir an dem Film so gut gefallen hat: Für mich gibt es in allen sechs Filmen Überraschendes. Die Handlung der zornigen Personen, so absurd sie teilweise ist, lässt sich zumeist gut nachvollziehen. Gemein ist allen Filmen jedoch, dass es immer noch schlimmer kommt als gedacht: Jeder von uns hat sich wahrscheinlich schon mal überlegt, einem anderen, der einen schlecht behandelt hat, ganz trocken eine reinzuhauen. Die wenigsten von uns tun das, haben jedoch ein gewisses Verständnis dafür, wenn es jemand anderer tut. Aber aufgrund von Rachegelüsten oder dem Gefühl, die Nase voll zu haben, gleich ganze Gebäude in Schutt und Asche zu legen, Explosionen auszulösen oder ein Familienfest in eine blutige Schlacht zu verwandeln, dürfte den allermeisten von uns übertrieben erscheinen.

Nicht alle sechs Filme haben mir gleich gut gefallen, aber keiner war schlecht. Hervorheben möchte ich den dritten Film – zu Beginn eine Alltagsszene zwischen zwei Autofahrern. Ein Problem beim Überholen, Beschimpfungen, Stinkefinger – nichts Besonderes eigentlich. Das wäre auch so geblieben, hätte nicht einer der Fahrer aufgrund einer Panne warten müssen, sodass die beiden sich wiedertreffen. Von hier an nimmt das Unglück seinen Lauf, es wird gewalttätig, keiner der beiden denkt auch nur im Traum daran, nachzugeben. Es geht mächtig zur Sache, das ist nichts für Feingeister. Aber immer, wenn ich dachte: ‚Nun wird es aber bald geschmacklos‘, passierte etwas so verrückt Komisches, dass es mich kaum auf dem Sitz hielt. Manchmal mag man kaum hinsehen. Dann eine Art Finale, eine kurze Pause – ‚Ende‘, denkt man, denn was soll da noch kommen? Und dann dreht das Filmchen noch einmal auf, steigert das Unwahrscheinliche ins Absurde, lässt es krachen und alle sind glücklich – die Lebenden im Kino wie die Toten auf der Leinwand.

Im letzten Jahr war „Wild Tales“ der meistgesehene Film in Argentinien. Er ist für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert und gewann Publikumspreise – sicherlich zurecht. Man mag sich natürlich darüber streiten, ob die Darstellung derartiger Ausraster, die in Gewalt und Chaos enden, künstlerisch wertvoll oder doch eher verwerflich ist, aber für Leute, die sich im Kino gerne überraschen lassen und die hemdsärmelige Action nicht schreckt, ist „Wild Tales“ genau der richtige Film. Reingehen – angucken – Spaß haben!

 

Nachbemerkung: Wir sahen den Film im wunderbaren kleinen Harmonie-Kino in Sachsenhausen. Hier gibt es nur zwei etwas altmodische Kinosäle, ohne 3D und ohne Schnick-Schnack (barrierefrei ist es leider auch nicht). Der größte Luxus ist noch die Popcorn-Maschine im winzigen Foyer. Das Programm jedoch kann sich sehen lassen – wer sich abseits der großen, beworbenen Blockbuster unterhalten lassen möchte, sollte hier öfter mal ins Programm gucken. http://www.arthouse-kinos.de/programm-in-der-harmonie/

When animals dream – vom Charme des schlechten Films

Heute habe ich lange überlegt, ob ich diese Rezension schreiben sollte oder nicht: Denn eigentlich wollte ich in meine bunten Empfehlungen nur solche Dinge aufnehmen, die ich ohne Wenn und Aber weiterempfehlen kann. Das ist bei diesem Film nicht der Fall. Ich würde allerdings auch niemandem davon abraten, ihn sich anzugucken. Und ich habe furchtbar viel Lust diese Rezension zu schreiben. Also, auf geht’s.

Zunächst einmal möchte ich erwähnen, wie ich überhaupt in diesen Film hineingeraten bin: Das war nämlich keine bewusste Entscheidung. Ich habe kürzlich die Sneakpreviews wieder entdeckt, also die Wundertüte der Kinovorstellungen. Man geht dabei für kleines Geld – bei den Frankfurter E-Kinos sind das vier Euro pro Vorstellung – ins Kino und bekommt einen Film zu sehen, der noch nicht offiziell angelaufen ist. Danach darf man seinen Kartenabschnitt in eine von drei Bewertungsboxen einwerfen: Daumen hoch, Daumen gerade oder Daumen runter. Das macht Spaß und bringt einen dazu, auch einmal etwas zu gucken, das einem ansonsten im Kinoprogramm vielleicht gar nicht aufgefallen wäre. Folglich erweitert es den Horizont, und das ist gut.

Die „Perle“, die man uns gestern präsentierte, war der dänische Film

When animals dream                                           

Achtung Spoilerwarnung: Ich habe vor, hier hemmungslos den Inhalt des Films auszuplaudern. Wer also noch gucken und dabei überrascht werden möchte, der lese hier besser nicht weiter.

Darum geht es: In einem Fischerdorf lebt die junge Marie gemeinsam mit ihrem fürsorglichen Vater und der Mutter, die an einer zunächst unbekannten Krankheit leidet und ihre Tage regungslos im Rollstuhl verbringt. Marie geht liebevoll mit der Mutter um, scheint aber nicht so recht zu wissen, was ihr eigentlich fehlt. Sie selber hat zu Beginn des Films ihren ersten Arbeitstag in einer Fischfabrik, in der fast alle Menschen im Dorf zu arbeiten scheinen. Dort herrschen raue Sitten, die Marie jedoch einigermaßen stoisch akzeptiert.

Der Dorfarzt vermutet, dass Marie an der gleichen Krankheit wie die Mutter leidet und versucht gemeinsam mit dem Vater, das Mädchen von der Einnahme von Medikamenten zu überzeugen. Nach und nach erschließt sich dem aufmerksamen Zuschauer, dass die Mutter eine Art Werwolf ist und durch Medikamente ruhiggestellt wurde. Auch bei Marie setzt an einigen Körperstellen verstärkter Haarwuchs ein, sie wird aggressiver. Ihr gerät die Krankenakte ihrer Mutter in die Hände, sie stellt Nachforschungen an und akzeptiert erstaunlich bereitwillig die Tatsache, dass sie sich „in ein Monster verwandeln“ wird. Anscheinend wissen auch alle Leute im Dorf von der merkwürdigen „Krankheit“, beobachten das Mädchen und mobben sie. Lediglich zum freundlichen und angenehmerweise auch noch attraktiven Daniel baut sie ein gutes Verhältnis auf, die beiden werden ein Paar.

Soweit lässt sich der Film einigermaßen nachvollziehen, auch wenn es schon früh erste skurrile Szenen gibt. Über Logik sollte man besser nicht nachdenken. Denn es ist für den Zuschauer nicht wirklich nachvollziehbar, warum sich die gelähmte Mutter plötzlich wie der Blitz aus dem Rollstuhl bewegt und den braven Dorfarzt niedermetzelt, nur weil der dem Mädchen mit einer Spritze an den Leib rückt, um Todesfälle unter den Dorfbewohnern zu verhindern. Der arme Mann wird von Vater und Tochter unter lautem Gestöhne in einer sehr flachen Grube im Garten beigesetzt, was im Kino zu wahren Lachsalven führte – besonders, als das kühle Grab auch noch mit einer hölzernen Windmühle dekoriert wurde.

Das Verschwinden des Landarztes schreiben die Dorfbewohner der reglos im Stuhl sitzenden Werwölfinnenmutter zu und ersäufen das Biest daraufhin in der heimischen Badewanne. Diese Szenen bleiben uns erspart, nicht jedoch Marie, die die tote Mutter findet. Daraufhin verschlechtert sich ihr eigener Zustand, sie verändert sich körperlich, wird aggressiver und will doch selbstbewusst zu dem stehen, was sie nun einmal ist. Das Verhältnis zu ihren Kollegen wird immer angespannter, aus Mobbing wird eine offene Jagd, ein Fabrikarbeiter wird von Marie getötet. Nur Daniel hält weiterhin zu ihr, die beiden wollen zusammen fliehen. Dies misslingt, Marie wird von einigen Dorfbewohnern niedergeschlagen, auf einen Kutter verschleppt und dort eingesperrt. Daniel kann sie befreien, sie richtet ein Blutbad an, alles wird gut.

Was ist das Besondere: Obwohl dieser Film für mich einer der schlechtesten ist, die ich je im Kino gesehen habe, hat er doch das Potenzial zu einem Kultfilm. Mit diesem Eindruck stand ich nach der Vorstellung übrigens nicht alleine da: Obwohl der überwiegende Teil der Preview-Gucker den Kartenabschnitt in die Voting-Box für „Das war nix“ einwarf, wirkten die meisten doch so, als hätten sie sich glänzend unterhalten. Es wurde gelacht und geplappert, die besten der schlechten Szenen wurden fröhlich gleich noch mal nachgespielt. Also kann es so grausig nicht gewesen sein.

Und so schlimm war es auch für mich nicht: Denn die unfreiwillige Komik, die uns im Kino immer wieder verblüfft herauslachen ließ, macht wirklich Spaß. Dabei ist dieser Film ganz gewiss nicht als Komödie gedacht, sondern soll wohl eher das Genre des „kunstvollen Horrors“ bedienen. Wenn aber die hübsche Marie plötzlich in ihr Wasserglas beißt und mit blutenden Lippen die Splitter zermalmt, dann ist das einfach absurd komisch. Ebenso der sonderbare Wandteppich mit dem Hasen drauf, der über Maries Bett hängt: Er soll wohl in aller Unschuld einen Kontrast zum blutverschmierten Grauen in Maries Gesicht darstellen – ist aber einfach nur mitleiderregend hässlich.

Auch die sonderbaren logischen Lücken lassen den Zuschauer ratlos aus der Wäsche gucken: Denn die Dorfbewohner, allesamt grob, langsam im Denken und leicht boshaft, wissen genau, dass im Haus von Maries Familie das Verderben lauert. Trotzdem sehen sie sich das recht lange an. Dass sie irgendwann zur Lynchjustiz greifen, ist einerseits zwar nicht die feine Art, andererseits aber auch nicht erstaunlich: Denn gerade in einem so kleinen Dorf ist es doch nicht schön, wenn immer mal wieder einer fehlt.

Warum der Lynchmob Marie nicht wie ihre Mutter gleich tötet, sondern mit ihr auf einem Fischkutter auf die offene See hinausfährt, erschließt sich ebenfalls nicht. Es ergibt sich daraus jedoch die Möglichkeit eines Happy Ends: Nachdem Marie ihre Verfolger erfolgreich zerbissen hat, ergreift der gute Daniel zärtlich die Hand seiner knurrigen, haarigen Holden und flüstert: „Ich bin da!“ Gemeinsam schippern sie dem Sonnenaufgang entgegen, auf einem Schiff voller Leichen und Fischabfälle. Ach, ist das romantisch!

 

Nachbemerkung: Ich möchte nicht verschweigen, dass man den Film auch anders sehen kann. Schon jetzt gibt es im Netz einige Kritiken zu dem Film, die Meinung von Peter Osterried auf Kritiken.de weicht beispielsweise von meiner deutlich ab. Er findet den Film exzellent – so unterschiedlich sind halt die Leut‘. Zustimmen kann ich ihm nur in seiner Meinung über die junge Hauptdarstellerin Sonia Suhl – die fand auch ich wirklich gut.

 

Ostseeküste im Nebel

Ostseeküste im Nebel

Danke, Enid Blyton

Kürzlich hatte ich ja krankheitsbedingt ein bisschen mehr Zeit und habe diese strickend auf dem Sofa verbracht. Um mich dabei nicht zu langweilen, gab es nebenher ein bisschen Fernsehprogramm oder auch DVD. Zu meinen großen Leidenschaften gehören dabei auch Kinderfilme. Und das bringt mich zu dem Ausruf:

„Danke, liebe Enid Blyton!“

Enid Blyton

Ein Bild von Enid Blyton im Innenteil der Fünf-Freunde-DVD

Die 1897 geborene Kinderbuchautorin Enid Blyton gehörte wohl mit zu den produktivsten Autoren aller Zeiten. Ob ihre Bücher etwas taugen, ist durchaus umstritten: Oftmals liest man in Kritiken etwas von schematischer Darstellung, Schwarz-Weiß-Malerei und ständiger Wiederholung. Trotzdem wird sie noch heute eifrig gelesen – irgendetwas muss sie also richtig gemacht haben.

Laut Wikipedia schrieb Enid Blyton über 750 Bücher und 10.000 Kurzgeschichten – eine beeindruckende Zahl. Diese Masse ist wohl der Grund für die Stärken und Schwächen im Werk von Enid Blyton. Denn die Bücher sind gewiss Massenware, schematisch geschrieben und nicht unbedingt literarische Meisterwerke. Das ist mir durchaus klar. Andererseits war aufgrund der schieren Masse wohl wirklich für jeden jungen Leser etwas dabei: Geschichten aus dem Internat für zickige kleine Mädchen oder spannende Geschichten für Kinder auf der Suche nach großen Abenteuern. Da kaum ein Kind es schafft, sich durch das Gesamtwerk zu buchstabieren, fallen Wiederholungen nicht besonders auf.

Bei uns zuhause waren wir gespalten in der Wahl unserer Enid Blyton-Bücher: Meine Schwester sammelte „Dolly“, die Bücher über das gescheite, aber leider jähzornige Mädchen, das ins Internat Burg Möwenfels geschickt wurde und sich dort bis ins Erwachsenenalter hinein jugend- und jungenfrei bei Mitternachtspartys, Sportwettkämpfen und Kochunterricht amüsierte. Ich las das auch, fand es aber nicht sonderlich spannend. Und die etwas dümmlichen Zwillinge Hanni und Nanni, die auch mit wenigen Bänden in unserem Bücherschrank vertreten waren, mochten wir beide nicht.

Ich war ja immer ein Fan der Fünf Freunde und der Abenteuer-Reihe. Gerade an diesen beiden Serien sieht man als erwachsener Leser, dass sie sich sehr ähneln: Zwei Jungs, zwei Mädchen, ein kluges Tier – fertig ist die Optimal-Crew zum Erleben großer Abenteuer. Als Kind hat mich das überhaupt nicht gestört. Auch, dass der arme Philipp in Band vier der Abenteuer-Serie schon zum zweiten Mal die Masern hat, fiel mir erst beim Wiederentdecken der Bücher im letzten Jahr auf. Und den kaum versteckten Rassismus in den Büchern verstand ich nicht. Ich wunderte mich nur ein wenig darüber, warum der kriminelle Neger sich nicht traute, das schöne Hotel zu betreten. Und auch die vielen Zigeuner, die entweder klauten und ihre Kinder misshandelten oder aber des Abends lachend ums Feuer tanzten, erschienen mir lediglich ein bisschen fremd. Lese ich die Bücher heute, fallen mir diese Dinge natürlich auf, aber angesichts der Tatsache, dass z. B. die Abenteuer-Reihe schon rund sechzig Jahre alt ist, sind politische Unkorrektheiten nicht wirklich erstaunlich.

Fünf Freunde und die Abenteuer-Serie

Fünf Freunde-DVD und die komplette Abenteuer-Serie

Ich tauchte also ein in die erfundenen Welten, freute mich darüber, dass an jeder Kurve ein Wanderzirkus oder ein geheimnisvolles Schloss auftauchte und übernahm diese spannenden Szenerien in mein tägliches Leben. So zog ich mit meinen Freundinnen los, um ein verschüttetes Römerlager zu suchen und auszubuddeln – so etwas gab es schließlich überall. Und wir fanden unsere historische Ausgrabungsstätte auf einer Weide an Töpkens Busch. Dort gruben wir mit unseren Strandspaten und legten römische Artefakte frei – das Schönste war eine gut erhaltene Tasse aus weißem Porzellan mit der berühmten Ostfriesenrose drauf, außerdem ein paar leere Konservendosen. Was die alles hatten da im alten Rom! Tagelang waren wir mit unseren Funden beschäftigt, die wahrscheinlich aus einem vor vielen Jahren über den Zaun geschleuderten Müllsack stammten. In unserer Fantasie aber legten wir gerade Pompejis Partnerstadt frei.

Nach den Ausgrabungen gab Enid Blyton unserer Fantasie Stoff genug für weitere Abenteuer. Wir observierten Verbrecher, die sich auffällig auf unserem Spielplatz herumgedrückt und dort den Drehpilz benutzt hatten, obwohl sie erwachsen waren. Was hatten die da gemacht? War die Drehpilzbenutzung ein geheimnisvolles Bandenzeichen? Kichernd schlichen wir hinter ihnen her, natürlich jede Deckung ausnutzend. Enid Blyton hatte uns gelehrt, dass man in allen Ferien das Recht auf ein vernünftiges Abenteuer hatte, und wir besorgten es uns auf unsere Weise.

Als ich nun vor einigen Wochen viel Zeit zum DVD-Gucken hatte, gönnte ich mir eine kleine Reise zurück in meine Kindheit: Ich guckte alle Folgen der Fünf Freunde-Verfilmung aus den siebziger Jahren. Die ist im Grunde ein ziemliches Durcheinander: Die Verfilmung zeigt die typischen 70er-Jahre-Kinder mit Schlaghose und Bonanzarad. Trotzdem muss Julian irgendwo ein Kurbeltelefon bedienen. Auch ist eigentlich immer Sommer, und Anne steht oftmals mit verzweifeltem Gesicht sinnlos in der Gegend herum. Über Logik sollte man sich einfach keine Gedanken machen. Trotzdem hat mir das Gucken viel Spaß gemacht, denn ich erinnerte mich daran, wie ich als Kind von Folge zu Folge gefiebert und mir die Serie immer wieder angeguckt habe.

Und deshalb legte ich bei meinem DVD-Marathon noch die Verfilmung der Abenteuer-Serie aus den 90er Jahren obendrauf. Die kannte ich bislang nicht, schließlich war ich bei deren Erstausstrahlung schon Mitte 20 und hatte andere Interessen als Kinderfilme. So auf den ersten Blick empfand ich die Verfilmung jedoch als durchaus gelungen: Der Transport der Geschichten in die Neuzeit erscheint sinnvoll und recht gut gemacht, die Figuren entsprechen (bis auf der viel zu gut aussehende Bill Cunningham) der Beschreibung und die kindgerechte Spannung kann einen auch als Erwachsenen noch ganz gut fesseln. Folglich hat Enid Blyton es mal wieder geschafft, mir ein paar schöne Stunden zu verschaffen.

Der Doktor und das liebe Vieh – in Wort und Bild

Einer meiner Favoriten seit Kindertagen sind die heiteren Tierarztgeschichten von James Herriot. Und obwohl ich eigentlich lieber lese als Filme zu gucken, kann ich mich in diesem Fall nicht entscheiden, was mir besser gefällt: Die Bücher oder die Verfilmung.

Darum geht es:

England, Ende der 30er Jahre: Der junge James ist glücklich über das Angebot, in Yorkshire in der Praxis eines Landtierarztes arbeiten zu dürfen. Engagiert stürzt er sich in jedes Abenteuer, das dieser Job für ihn bereithält. Dabei unterstützt ihn sein Chef und späterer Partner Siegfried auf eine eigentümliche Weise. Denn Siegfried ist launisch und unberechenbar, auf sympathische Weise chaotisch und dabei doch der zuverlässigste Freund, den ein Mensch sich wünschen kann. Außerdem ist da noch Tristan, Siegfrieds viel jüngerer Bruder, der trotz brillanter Fähigkeiten jedes Examen versenkt, emsig und erfolglos hinter jedem Rock herläuft und die örtlichen Wirtshäuser vor dem Bankrott bewahrt. Zu dritt kümmern sie sich um jedes Vieh, dass ihnen vor die Nase kommt – um wilde Stiere genauso wie um Schoßhunde und altersschwache Wellensittiche.

Die Geschichte beginnt vor dem 2. Weltkrieg, macht in den Kriegsjahren eine kleine Pause, weil die drei Tierärzte die Praxis ruhen lassen und in der Armee dienen, und setzt unmittelbar nach dem Krieg wieder ein. Sie zeichnet ein genaues Bild des Lebens im ländlichen Yorkshire zu dieser Zeit.

Die größtenteils autobiografischen Geschichten des Tierarztes James Alfred Wight (1916 – 1995) erschienen in diversen Bänden, die in der deutschen Ausgabe eigenartigerweise anders zusammengestellt wurden als im englischen Original. Verfilmt wurden die Erzählungen in insgesamt sieben Staffeln und drei Spielfilmen (den „Weihnachtsspecials“).

Der Doktor und das liebe Vieh

Das ist das Besondere:

Hier möchte ich mit den Büchern beginnen, obwohl ich als Kind zuerst die erste Staffel der Verfilmung sah, bevor wir das erste Buch bekamen: Denn diese Bücher habe ich immer wieder gelesen in den letzten 30 Jahren. Sie sind treue Begleiter für trübe Tage, wenn ich Schnupfen habe oder aus anderen Gründen trostbedürftig bin. Geschrieben in einer wunderschönen Sprache (sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch), beschreiben sie detailreich und liebevoll den tierärztlichen Alltag zu einer Zeit, in der es noch keine wirksamen Antibiotika, dafür aber pannenanfällige Autos gab. Man merkt dem Autor seine Begeisterung an: für seine Arbeit, die Landschaft, in die es ihn verschlagen hat, und die eigenartige Bevölkerung, mit der er es zu tun bekommt. Man nimmt es ihm ab, dass er vor Sorge um ein Tier, das nicht einmal sein eigenes ist, manchmal nicht schlafen kann. In mir weckten diese Bücher damals den Wunsch, Tierärztin zu werden. Als ich wenige Jahre später noch mal hineinsah, nahm ich aufgrund der Bücher dann Abstand von diesem Berufswunsch – mir wurde nämlich klar, dass das kein Job für jemanden ist, der sich nicht gerne schmutzig macht. Denn trotz der schönen Beschreibungen, die das Buch beinhaltet, wird doch nichts verklärt: Tiere können sterben und Scheiße stinkt.

Die Filme stehen für mich den Büchern in nichts nach: Detailreich und genau in der Ausstattung, mit schönen Landschaftsaufnahmen und herrlichen alten Autos. Die Besetzung könnte treffender nicht sein.  Das ist umso erstaunlicher, als dass der Film-Siegfried dem Buch-Siegfried äußerlich sehr unähnlich ist: Wird der Praxischef im Buch als groß und hager beschrieben, mit Schnauzbart und nachlässig gekleidet, ist der Schauspieler Robert Hardy eher klein, kräftig, glattrasiert und immer akkurat gekämmt. Und doch könnte es keinen Besseren geben, um den cholerischen Siegfried darzustellen. Wenn Robert Hardy die Stirn runzelt, sich die Brille von der Nase reißt und einen der absurd-komischen Vorträge hält, die Siegfried auszeichnen, fürchtet man um seine Gesundheit. Glücklicherweise haben diese Anstrengungen Robert Hardy nicht geschadet, so dass er mit 82 Jahren noch den Zaubereiminister Cornelius Fudge geben konnte. Chapeau, Mr. Hardy. Die Rolle des unerfahrenen und oftmals etwas unbeholfenen James übernahm passend Christopher Timothy. Auch die vielen anderen Figuren passen genau in das Bild, das man sich beim Lesen von ihnen macht.

Was gibt es noch:

Schmunzeln musste ich immer wieder über die Rolle, die den Frauen in der Serie zugebilligt wurde. Ich gehe davon aus, dass diese Darstellung sehr realistisch ist. Aber jemand wie ich, die am liebsten einen weiten Bogen um jedes Staubtuch macht, kann sich einfach nur schwer vorstellen, dass sich jemand mit einer solchen Verve in die Hausarbeit werfen kann wie James Ehefrau Helen.

Weder die Bücher noch die Filme sind für Antialkoholiker geeignet, es wird gesoffen, dass sich die Balken biegen. Und dann ab ins Auto und rein in die Kuh – ein Wunder, dass das alle überlebt haben.

Und ein Detail, das mich immer wieder erfreut, sind die Pullover. Ja, die Pullover. Denn die Tierärzte tragen in den Filmen immer wieder Pullover in Fair Isle-Mustern und den alten, „auf Figur“ gestrickten Schnitten. Für mich, die ich selber gerne stricke, ist das einfach schön anzugucken und ich habe mich ein paar Mal dabei ertappt, wie ich mit der Nase ganz nah an den Bildschirm gerückt bin, um mir das einmal ganz genau anzugucken. Ein weiteres Zeichen für die grandiose Arbeit der Ausstatter.