Anita 1: Weiberabend

Heute mache ich mal etwas, was ich noch nie gemacht habe – einen Mehrteiler 🙂 Na gut, genau genommen sind es zwei Teile. Den zweiten gibt es in den nächsten Tagen. Heute aber lernt ihr erst mal Anita kennen.

Anita 1: Weiberabend

Damenhand, Cocktailglas, Glitzernder RingIch nahm meine Tasche und überprüfte wie immer, ob ich alles dabeihatte: Handy, Geldbörse und Schlüssel, außerdem das kleine blaue Kosmetiktäschchen, in dem ich immer allerhand weibliche Utensilien mit mir herumtrug. Mein „Beischlaftäschchen“ nannte mein Mann das, weil ich in unserer ersten gemeinsamen Nacht ein Kondom daraus hervorgeholt hatte. Kondome hatte ich jetzt nicht mehr darin, wohl aber einen Lippenstift und die kühlende Creme zum Abschwellen der Augenlider.

Wie immer war meine Ausrüstung komplett, ich vergaß selten etwas. Also lief ich los. Etwas hektisch, denn ich komme ungern zu spät. Trotzdem hatten meine Mädels schon Platz genommen und den ersten Sekt bestellt, als ich in das Lokal kam. Zum Glück hatten sie mich nicht vergessen, mein Glas wartete bereits auf mich. Das war gut, denn sonst wäre ich gleich hintendran gewesen. Und so albern, wie wir auf unseren Weiberabenden immer wurden, half ein kleiner Glimmer mir wirklich: Schließlich bin ich eigentlich ein vernünftiger Mensch.

Auch dieses Mal blödelten wir munter herum. Meine Freundin Anita hatte einen Adventskranz, den sie stolz herumzeigte. Es war keiner mit Kerzen, den man auf den Tischstellen sollte, sondern einer zum an die Tür hängen. Wir schwiegen zunächst verblüfft, denn Anita hatte eigentlich einen ausgezeichneten Geschmack. Dieser Türkranz aber war von einer monströsen Hässlichkeit, dekoriert in Orange und Pink, geziert von einem Engel in einem wabernden Spitzengewand.

„Was willst du da denn mit?“ fragte schließlich Vera und schubste den blöde grinsenden Engel angewidert mit einem Finger an.

„Den schenke ich meinem Ex!“ verkündete Anita fröhlich. Wir waren erstaunt – seit wann hatte sie einen „Ex“? Sie war seit fast 25 Jahren geschieden und erwähnte diesen Mann kaum einmal. Sie sah uns die Verwirrung an und klärte uns auf: „Ich hatte Sex mit meinem Nachbarn, dem Netten aus Nummer fünf. Vier Monate lang. Nun hat er eine Neue, die ist viel jünger als ich und sieht aus wie dieses Ding da.“ Sie wackelte kräftig mit dem pausbackigen Engel und nun erst sahen wir es: Die kitschige Figur war nicht etwa vorsichtig in dem Kranz befestigt worden. Man hatte sie mit Paketschnur am Hals aufgehängt.

Als erstes erholte Vera sich von ihrer Verblüffung. „Mehr Sekt!“ rief sie einem vorbeieilenden Kellner nach.

Komische Gewohnheiten: Sich etepetete, aber schlecht benehmen

Manchmal sieht man sich ja wirklich verstohlen um und sucht die versteckte Kamera. So erging es meiner Freundin Kerstin und mir kürzlich, als wir gemütlich kaffeesieren waren: Wir saßen auf der Fressgass, in einer der teuersten Lokalitäten am Platze, denn dort gibt es grandiosen Kuchen und man gönnt sich ja sonst nichts. Es war friedlich dort, ruhig und beschaulich – bis die beiden Damen kamen. „Damen“, so nenne ich sie mal, aus Höflichkeit und weil es mich nichts kostet, aber wäre ich nicht so wohlerzogen, würde ich sie wohl Tussen nennen, Schrullen oder vielleicht noch Schnepfen.

Beide wirkten sie irgendwie aufgeplustert, obwohl sie so taten, als seien sie hochvornehm. Das Getöse, mit dem sie direkt neben uns Platz nahmen, hätte gut in ein Bierzelt gepasst, direkt neben die Blaskapelle, und ihre Gespräche schienen geradewegs der Gala entsprungen, natürlich mit ihnen in der Hauptrolle. Der Kellner wurde behandelt wie die lästigste Nebensache der Welt, aber man musste ja mit ihm reden, schließlich sollte er Torte und Sekt bringen. Was er auch tat.

Sektgläser

Die Sektgläser waren gut gefüllt, sicherlich kamen die Damen nicht zu kurz. Und doch meinte die Lautere der beiden, ihr Glas in die Höhe halten und mit einem Auge hineinspähen zu müssen – zu tief ins Glas zu schauen bekam so eine ganz neue Bedeutung. Der Kellner war besorgt und fragte nach: „Ist alles in Ordnung?“ Die Dame verneinte. Nein, nicht alles in Ordnung, ganz und gar nicht. Denn sie frage sich, ob das „genügend“ sei in ihrem Glas. Bei zu wenig gefüllten Gläsern sei sie empfindlich, verkündete sie. Der Kellner wirkte verblüfft, war doch eher zu viel als zu wenig im Glas. „Ja, vielleicht“, stimmte Madame zu, „aber sie da“, sie wies lässig mit einem Finger auf die Freundin, „hat mehr. Gießen Sie hier doch auch noch einmal nach!“ Der Kellner war Profi und bewahrte die Contenance. Gut hätte ich ja gefunden, wenn er aus dem volleren Glas einfach einen Schluck abgetrunken hätte, aber er kam tatsächlich mit der Flasche, richtete beide Gläser nebeneinander aus, nahm Maß und goss in eines noch eine Fingerhutmenge nach. „Ist es recht so?“ Es war recht – na so ein Glück!

Die Damen aßen und tranken – natürlich mit abgespreiztem kleinen Fingerchen – und unterhielten ihr Umfeld mit hochintellektuellen Gesprächen. Richtig hoch her ging es, als die zu wenig Gefüllte eine Nachricht auf ihr Smartphone bekam – offensichtlich von einem Sponsor. Sie kreischte aufgeregt und ruderte mit den Armen. Der ebenfalls aufgeregten Freundin erklärte sie, er (der Sponsor) habe seine Abrechnung bekommen, und jetzt dürfe sie sich eine Handtasche mehr kaufen. Großes Hallo und viel Gelächter. Und ich dachte, wie gut, dass ich mich selber für oder gegen den Handtaschenkauf entscheiden darf, auch wenn ich sie selber bezahlen muss. Aber jedem Tierchen sein Plaisierchen.

Die Damen brachen auf, schließlich hatten sie nun neue Pläne, sie brauchten dringend eine Handtasche. Sie rumpelten also von der Terrasse, nicht ohne vorher pflichtschuldigst ihre Zeche zu zahlen und sich beim Kellner lautstark über die unmöglichen, wirklich viel zu hohen Preise zu beklagen. Ist ja klar, der legt die ja auch fest. Und das, so fand ich, war dann wirklich der Gipfel des schlechten Benehmens.