Manchmal macht es Spaß, aus einem Set von fünf vorgegebenen Worten eine Geschichte zu schreiben. Unsere Grundlage lautete: Fenster, Stolz, Gold, Kellner, unbeeindruckt
Die Überraschung
Unbeeindruckt vom Schneegestöber sah Ulrike mit leerem Blick aus dem Fenster. Sie hätte genauso gut eine Betonwand oder eine Vogelspinne anstarren können, so weit weg war sie mit ihren Gedanken. In ihrem Kopf kreisten immer noch die Geschehnisse des gestrigen Abends: Das schöne Restaurant, die festliche Kleidung, der Kellner, der ihr galant den Mantel abgenommen hatte. Und natürlich Peter, der ihr ganz gentlemanlike den Arm geboten und sie zu ihrem Tisch geführt hatte. Dabei hatte er sie angesehen mit diesem besonderen Blick, einer Mischung aus Stolz und Liebe. Wenn dieser Blick sie traf, fühlte sie sich immer als etwas ganz Besonderes.
Sie war aufgeregt gewesen. Etwas Wichtiges lag in der Luft, das spürte sie. Ob er sie endlich fragen würde, ob sie ihn heiraten wollte? Schließlich wohnten sie jetzt schon drei Jahre zusammen. Die Art, wie er sie ansah, verhieß etwas Gutes, so schaute er immer, wenn er eine Überraschung für sie hatte. Oder wenn er etwas ausgefressen hat, flüsterte der ewige Zweifler in ihrem Ohr. Doch sie schob ihn beiseite – heute nicht. Heute würde es passieren, das spürte sie. Ob er dabei auf die Knie gehen würde? Fast schon spürte sie einen imaginären Ring aus kühlem Gold an ihrem Finger – Weißgold mit einem glitzernden Stein.
„Ich habe es getan, Ulli“, hörte sie ihren Freund da sagen. „Ich habe uns was gekauft!“ „Ringe?“, platzte es aus Ulrike heraus und er wirkte verblüfft. „Ringe? Ääähh, ne, keine Ringe. Möchtest du einen? Dann schenke ich dir einen zu Weihnachten, dann weiß ich schon mal was. Aber heute habe ich uns was Besseres gekauft!“ Er hob sein Glas und strahlte sie an. „Was Besseres?“, fragte Ulrike zögernd. „Was denn?“ „Einen Hühnerstall!“, verkündete Peter voller Stolz und so laut, dass einige der anderen Gäste sich nach ihm umdrehten. „Einen Stall mit fünf Hennen. Sowas wollte ich schon immer mal haben. Nach Weihnachten wird er geliefert.“ Ulrike nahm es zur Kenntnis.

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