Fundstücke 74 – gastronomischer Abgrund

Seit Ewigkeiten habe ich schon kein Fundstück mehr gepostet. Aber das, was sich mir im Ostseeurlaub in einer Speisekarte präsentierte, schreit förmlich danach, im Absurditätenkabinett meines Blogs präsentiert zu werden. Aber von Anfang an:

Es gibt Dinge, die esse ich gerne. Ganz besonders im Urlaub. Dazu gehört die norddeutsche Spezialität „Labskaus“, die natürlich nicht nur aus der merkwürdig aussehenden Pampe besteht, sondern allerlei Beiwerk hat: Matjes (oder auch einen sauren Hering), ein Spiegelei und etwas Sauergemüse oder Salat. Hier haben wir ein schönes Beispiel:

Labskaus, so wie er muss: Mit zwei Eiern, Hering, Zwiebeln, saurer Gurke und Salat

In einem Restaurant in Kappeln bot man auch Labskaus an. Dieses wurde jedoch derartig merkwürdig angepriesen, dass ich davor zurückschreckte und lieber ein Stück Pflaumenkuchen nahm, obwohl ich auch Appetit auf etwas Herzhaftes gehabt hätte. Denn man offerierte:

Text aus der Speisekarte: Labskaus für "Anfänger" mit Spiegelei in der Tasse serviert

In der TASSE?! Watt? Nein, liebe Leute, so nicht. Man hat mir ja schon vieles serviert – Kartoffelsuppe im fest verschlossenen, brühheißen Einmachglas, Burger und Pommes im Körbchen, Sahnetorte auf der Serviette. Doch dieses hier geht eindeutig zu weit. So nicht! Nicht mit mir!

Bin halt auch keine Anfängerin mehr 🙂

Schön ausgedrückt – allerhand Unfug

Der Unfug an sich ist etwas Schönes: Das erkennt man schon daran, dass er in unserer Sprache viel öfter vorkommt als sein vernünftigeres Pendant, der Fug. Der kommt selten vor und hat kaum Platz im gelben Duden, sodass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass er langweilig ist. Der freche kleine Unfug hingegen kommt häufiger vor und hat jede Menge Synonyme – und die klingen so schön!

Mensch und Affe

Unfug im Frankfurter Zoo: Ich bin die in der Mitte.

Da wäre zum einen der Humbug – eines meiner Lieblingswörter, seitdem ich zum ersten Mal die Muppets-Weihnachtsgeschichte sah, in der der garstige, von Michael Caine gespielte Ebenezer Scrooge es immer wieder ausspie, um seine Verwirrung zu verstecken. Humbug kommt aus dem Englischen und wurde angeblich schon um 1740 herum benutzt.

Als Nächstes fällt mir das schöne, melodische Wort „Kokolores“ ein. Seine Herkunft ist nicht so recht geklärt, in einschlägigen Wörterbuchern wird sowohl das Krakeelen des Hahns als auch der Begriff „Gokeler“ für Gaukler mit dem Kokolores in Verbindung gebracht.

Der putzige Mumpitz stand im 17. Jahrhundert ursprünglich für eine vermummte Schreckgestalt oder Vogelscheuche, dem Mummelputz. An der Berliner Börse wurde der Mumpitz in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts für erschreckende Gerüchte oder unsinniges Gerede benutzt.

Der kurze, trockene Begriff „Stuss“ kommt aus dem Jiddischen bzw. dem Hebräischen. Es klingt für mich durch seine Einsilbigkeit, für die es freilich nichts kann, etwas unfreundlicher und abwertender als die anderen Synonyme für den Unfug. „Was für ein Stuss!“, das klingt wie ein Hammer auf dem großen Zeh.

Mein Lieblingsunfug ist allerdings der klangvolle Firlefanz. Er ist der einzige Unfug, den es auch in weiblich gibt, dann ist es die Firlefanzerei – ein Ausdruck, den ich selber bislang weder genutzt noch gehört habe. „Firlefanz“ – das klingt für mich nach fröhlichem Herumtollen unter lautem Gekicher. Und tatsächlich stammt das Wort vom mittelhochdeutschen „firlifanz“, einem Tanz. Irgendwie hört man die Musik aus ihm, dem Firlefanz- Tanz.

Man könnte es mit dem Unfug noch eine ganze Weile so weiter treiben: Es gibt noch den Nonsens, den Schmarrn, allerhand Käse, Tinnef oder Schwachsinn. Gemeinsam haben alle diese Begriffe, dass sie maskulinen Geschlechts sind – ein Schelm, der Böses dabei denkt. Außerdem kommen alle diese schönen Wörter laut Duden öfter vor als der arme, einsame Fug. Ob das gut ist, weiß ich nicht so recht. Vielleicht ist das ja die Auswirkung von „Der Klügere gibt nach“?

Anmerkung: Das Nachschlagen von Begriffen macht mir ja immer viel Spaß. Benutzt habe ich dieses Mal den guten alten Duden, das Wiktionary, das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache und Wikipedia.

Und noch eine Anmerkung: Sollte mich wieder jemand der mangelnden Gendergerechtigkeit bezichtigen wollen, weil ich auf die Männlichkeit des Unfugs hingewiesen habe, muss ich diesen Einwand dieses Mal leider mit einem kurzen „Papperlapapp“ abtun. Denn ich kann doch nix dafür …