9 Gründe, den Herbst zu lieben

Gestern war offiziell Herbstanfang. Pünktlich dazu ist es kühler geworden und es regnet endlich mal ein wenig. Ich freue mich jedes Jahr auf den Herbst und glaube, dass er meine Liebings-Jahreszeit ist. Und dafür gibt es eine Menge Gründe. Hier die für mich Wichtigsten:

1. Die Farben

Der Herbst ist für mich golden. Das liegt nicht nur an der Farbes des Laubes, das bunt leuchtet, sondern auch an dem besonderen Licht. Wenn ich mich recht erinnere, steht die Sonne im Herbst tiefer als im Sommer, der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen ist flacher und die Farbe des Lichts daher anders.

2. Letzte Blüten

Für mich als Blumenfan sind die letzten Blüten im Herbst immer besonders schön, ich freue mich über jede, die mich anlacht. Jetzt im September gibt es ja noch richtig viele Blumen, später im Jahr muss man schon mal auf Beeren ausweichen, wenn man nach etwas Buntem zum Fotografieren sucht.

3. Rauer Wind und Sonnenschein

In diese Lieblingsjahreszeit fällt in der Regel mein jährlicher „Alleine-Urlaub“ auf einer Insel. Ich liebe es, im rauen Herbstwetter am Wasser spazieren zu gehen, fröstelnd und durchgepustet irgendwo einzukehren und mich – gerne schreibend – aufzuwärmen. In jedem dieser Urlaube erwische ich auch ein par Sonnenstunden, die ein besonderr Genuss sind.

4. Apfelzeit und Erntedank

Ich bin niemand, der das Ernetdankfest bewusst feiert, doch ich finde es gut, im Herbst einmal kurz innezuhalten und dankbar dafür zu sein, dass die Natur es mit uns hier recht gut meint. Auch wenn dieses Jahr sehr trocken war, war es doch vielerorts ein grandioses Obstjahr. Ich habe dieses Wochenende einen tollen Pflaumenkuchen gebacken, vielleicht folgt diesem bald mal wieder ein Apfelkuchen. Denn Äpfel, die ich roh leider nicht gut vertrage, gehören zu meinem liebsten Obst – sei es als Kuchen, Wein, Mus oder, oder, oder …

5. Pilze!!!

Hach, Pilzzeit! Ich liebe Pilze. Zwar habe ich noch nie selber welche gesammelt und werde das wohl auch nie tun (ich denke, es gibt weniger mühsame Methoden, sich umzubringen), doch ich liebe Pilzgerichte aller Art. Besonders Pfifferlinge, die es zuhause nie gab, sind meine Favoriten.

6. zur Ruhe kommen

Im Sommer will ich immer was machen: Schwimmen gehen, an den Main, zumindest auf den Balkon. Dieser Sommer war allerdings so heiß, dass ich mich manchmal zuhause eingeigelt habe – aber immer mit einem schlechten Gefühl dabei. Der Herbst läd dazu ein, zur Ruhe zu kommen, dem Sofa zu huldigen und einfach mal abzuhängen.

7. Teezeit

Mit der Sofazeit und dem Abhängen kommt natürlich auch der Teedurst zurück. Zwar mache ich mir auch im Sommer mal ein Kännchen Tee, aber in den kalten Monaten ist Teetrinken für mich ein Muss. Meistens gibt es kräftigen Ostfriesentee, manchmal aber auch Rotbusch- oder Kräutertee. Wie gut das schmeckt, wenn es kühl und dunkel ist!

8. Erste Weihnachtskekse

Ich fand es ja schon etwas seltsam, als ich letzte Woche aus dem Freibad kam und im Supermarkt kistenweise Weihnachtskekse sah. Ich gestehe aber, dass ich zu denjenigen gehöre, die immer schon früh im Jahr ein Päckchen davon kaufen, um es gemütlich zum Tee zu schnabulieren. Ich weiß, das finden viele blöd, aber ich stehe dazu! Es gibt bei mir übrigens bevorzugt Mandelspekulatius 🙂

9. Stricken

Mit der Chill-Tee-Keks-Sofazeit werde ich mich auch wieder mal meinen Wollhaufen widmen und ein wenig Stricken. Ich brauche noch eine Mütze, finde ich, und auch mein letztes Sockenpaar wartet noch auf die Fertigstellung.

Und damit bin ich mit meiner Liste am Ende. Wem noch etwas einfällt, der schreibe es gerne in die Kommentare – ich bin sehr neugierug darauf, was andere am Herbst mögen.

Freiheit in Gummistiefeln

Mein Autorengrüppchen „Die Frankfurter Schreibweisen“ traf sich wieder einmal im Café Wacker, um dort Kurzgeschichten zu lesen. Das Thema lautete „Magische Momente“. Und magisch war es tatsächlich, was die Kollegen dort geboten haben: Mal ging es um Schaumstoffreste, dann wieder um gehobene Künste oder auch um Kneipen-Magie. Alles in allem war es ein toller Abend. Und meine kleine Geschichte kann man hier noch einmal nachlesen.

Die Farben der Freiheit

Als ihre Mutter beerdigt wurde, trug Friederike Hochstätter schwarz. Zum einen, weil sich das so gehörte, zum anderen, weil ihre Mutter es so gewollt hätte. Sie stand im Nieselregen am Grab, eine einzelne dunkelrote Rose in den schmalen Händen, und wartete auf den richtigen Zeitpunkt, diese dem hochwertigen Eichensarg hinterherzuwerfen.

Friederikes Kindheit war trist gewesen: Geboren in einer wohlhabende Familie, aber aufgewachsen in einer kühlen Umgebung mit wenig Freude, war sie ein stilles Mädchen gewesen, das sich von der übermächtigen Mutter herumkommandieren ließ und stets dazu angehalten wurde, wenig aufzufallen. „Die Contenance wahren“, das war jahrelang Friederikes Hauptaufgabe. Der Vater starb früh und hinterließ eine herrschaftliche Villa sowie ein beträchtliches Vermögen, das seine Frau in Stil und Design investierte. Sie gestaltete ihre Umgebung in den von ihr bevorzugten Farben schwarz, grau und beige, wobei sie die Nicht-Farbe beige niemals bei diesem Namen nannte. Sie sprach lieber von wollweiß, creme, perle oder natur und staffierte auch ihre Tochter in diesen Farbtönen aus. Friederike lernte, dass stilvolles Kleidung unauffällig sein musste und riskierte selten mehr als ein marinefarbenes Seidentuch.

Nun also trug sie schwarz, Beerdigungsschwarz. Der Pfarrer schloss mit einem Gebet, Friederike ließ die Rose fallen, ein paar Verwandte und Bekannte schippten Erde in das offene Grab. Sie gaben Friederike die Hand, sagten mitfühlende Worte, guckten betroffen. Das alles konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass niemand wirklich trauerte. Das war auch kein Wunder, denn die verstorbene Elisabeth Hochstätter war ein abscheulicher Mensch gewesen. Wahrscheinlich nicht absichtlich, aber das machte es nicht besser.

Unmittelbar nach der Beerdigung zerstreuten sich die Trauergäste. Friederike hatte auf die Kaffeetafel verzichtet, denn sie hatte Angst gehabt, dass niemand würde bleiben wollen. So blieb sie allein zurück, wechselte noch ein paar Worte mit dem Pfarrer und verließ schließlich den Friedhof. Sie wusste nichts mit sich anzufangen und schlenderte ziellos in Richtung Innenstadt. Ihr war kalt und sie ging in ein Café, um sich aufzuwärmen. Dort löffelte sie den Schaum von ihrem Milchkaffee, freute sich über das satte Braun des heißen Getränks und musste unwillkürlich lächeln: Eine Frau allein in einem Café, das war in den Augen ihrer Mutter immer unglaublich frivol gewesen. So etwas tat man nicht, hatte Friederike gelernt. „Ich bin eine Schlampe“, flüsterte sie ihrem Kaffee zu und nahm einen tiefen Schluck.

Nachdem sie noch einen Kaffee getrunken und dazu ein großes Stück Erdbeerkuchen gegessen hatte, zahlte Friederike und ging hinaus in die kleine Fußgängerzone. Es hatte aufgehört zu regnen und sie wanderte ziellos herum. An einem Schuhgeschäft hielt sie an und betrachtete die Sonderangebote im Eingangsbereich. Sie hatte Geld genug, sie musste nicht in diesem Billigschuhladen einkaufen. Doch irgendetwas zog sie hinein. Sie bummelte herum, probierte ein paar Sandalen und hielt irgendwann grinsend ein paar rosa Gummistiefel in der Hand. So etwas hätte sie als Kind gerne gehabt. Aber sie hatte nie Gummistiefel haben dürfen, denn sie brauchte keine. Im Schmutz spielten nur Bauern- und Proletenkinder. Und rosa Schuhe trug nur Barbie oder das horizontale Gewerbe. Friederike hatte sich jahrelang gefragt, was es mit diesem Gewerbe wohl auf sich hatte. Als sie das endlich verstanden hatte, war sie aus dem Gummistiefelalter heraus gewesen.

„Du, wäre das nicht schön, wenn man die kaufen könnte?“ fragte eine helle Stimme direkt neben Friederike. Sie gehörte zu einem etwa siebenjährigen Mädchen, das Friederike unheimlich bekannt vorkam. Es war etwas pummelig, hatte feuerrote Haare und eine Unmenge von Sommersprossen. ‚Das muss Sonjas Tochter sein, die Ähnlichkeit ist enorm!‘ dachte Friederike mit einem freudigen Schreck. Sonja war ihre erste Schulfreundin gewesen, rothaarig, quirlig und immer zu Späßen aufgelegt. Sie hatten sich fast nur in der Schule sehen können, denn die Bauerntochter Sonja war in den Augen der Eltern kein adäquater Umgang gewesen. Trotzdem waren sie jahrelang gute Freundinnen gewesen, hatten nebeneinander gesessen und die Pausenbrote getauscht. Nur manchmal, ganz selten, hatten sie sich heimlich bei Sonja zuhause getroffen. Dann hatten sie wild gespielt, Friederike, Sonja und deren drei Geschwister, alle rothaarig und etwas pummelig. Damals hatte Friederike diese roten Haare geliebt. ‚Rot ist die Farbe der Freiheit!‘ hatte sie damals gedacht und sich auch so einen Feuerkopf gewünscht. Leider hatte sie Sonja nach der Mittelstufe aus den Augen verloren.

Und nun stand sie hier neben diesem kleinen Mädchen, das genau wie sie ein paar rosa Gummistiefel mit Perlglanz in der Hand hielt. Die Kleine sah sehnsüchtig aus und Friederike hatte Lust, ihr eine Freude zu machen. „Magst du die Stiefel haben? Dann kaufen wir sie!“ Sie nahm dem Kind die Schuhe ab und brachte sie zur Kasse. Das Mädchen strahlte: „Aber du musst auch welche haben!“ Friederike lächelte. „Aber ich brauche doch keine Gummistiefel.“ „Jeder braucht Gummistiefel“, fand die Kleine und trug das Paar in Friederikes Größe ebenfalls zur Kasse. So wurden zwei Paar Schuhe gekauft.

„Komm, die ziehen wir gleich an und probieren sie aus!“ Inspiriert von dem Mädchen zog Friederike die schwarzen Pumps aus und die rosa Gummistiefel an. „Ordinär“, hörte sie von irgendwo her die Stimme ihrer Mutter. ‚Bequem‘, dachte sie und wackelte mit den Zehen. Heute war anscheinend Rosa die Farbe der Freiheit. Sie stopfte die Pumps in einen Mülleimer am Straßenrand. Dann rannte hinter dem Mädchen, das ihre Hand umklammert hielt und sie aus der City herauszog. „Wo willst du denn hin?“ keuchte Friederike und polterte schwer atmend in den klobigen Stiefeln durch die Stadt. Es kam ihr vor, als sei sie noch nie in ihrem Leben so weit gelaufen, als das Mädchen endlich an einem Feldrand anhielt. „Hier kann man schön matschen!“ erklärte es und zeigte Friederike, wie man neue Stiefel testet: in Pfützen springen und in Matschlöcher, dann über die Wiese rennen bis zum kleinen Teich. Dort im Wasser herumstapfen und Entengrütze mit der Fußspitze auffangen. Leuchtendes Grün auf rosa Stiefeln – Friederike fühlte sich leicht wie nie. Aber müsste die Kleine nicht längst zuhause sein? „Ich gehe, wenn wir hier fertig sind“, antwortete das Mädchen auf ihre Frage. Friederike aber hatte nicht vor, das Kind alleine nach Hause laufen zu lassen. Sie wollte mehr über das Mädchen wissen. „Wie heißt du eigentlich?“ fragte sie. „Aber das weißt du doch“, sagte das Mädchen erstaunt, drehte sich um und löste sich in Luft auf. Friederike blieb verblüfft zurück. Wohin war das Kind verschwunden? War es eine Illusion gewesen? Sie war verwirrt.

Noch Wochen später musste Friederike immer wieder an das seltsame Mädchen zurückdenken. Es war kein Traum gewesen – alleine hätte sie sich doch niemals diese Stiefel gekauft. Ihr erstes Paar Gummistiefel. Inzwischen hatte sie fünf davon: Das Paar in rosa, eines in gelb, eines in hellblau, eines in rot und eines in quietschgrün. Fast jeden Tag nach der Arbeit zog sie sich Gummistiefel an und lief zum Teich um zu matschen. Oft traf sie dort Kinder, die dort spielten und sich über die Frau Mitte Dreißig, die so eine Neigung zu Schmutz und Entengrütze hatte, sichtbar wunderten. Ab und zu war auch mal eine Mutter am Teich. Am Blick dieser Frauen sah Friederike, dass sie sie für bekloppt, aber harmlos hielten. Und ein junger Bauer, der regelmäßig mit seinem Traktor auf den Feldern herumfuhr, grüßte Friederike bereits und lachte jedes Mal fröhlich, wenn er sie sah. Das rothaarige Mädchen aber traf sie nicht mehr.