Schön ausgedrückt – geschlechtliche Inkonsistenzen 3: Kinder und umzu

Familie

Dieses kleinen Familienbild hängt im Museumsdorf Cloppenburg

Im letzten Teil meiner Betrachtungen über die sprachlichen Besonderheiten der Geschlechter will ich mich den Kindern widmen – und derer, die sie hervorbringen. Das ist zunächst mal einfach: Ein Kind hat einen Vater und eine Mutter – und evtl. diverse Patchworkeltern, die ich hier mal außen vor lasse. Diese Leute – Vater und Mutter – sind etwas Besonderes, ihre Rolle wird immer wieder hervorgehoben, zum Beispiel in den Nachrichten: „Es ereignete sich ein Unfall. Im Wagen befand sich eine 35-jährige Mutter …“ Aha, eine Mutter also, eine Frau mit Kind. Das ist offenbar wichtig, denn eigentlich befand sich in dem Wagen schlicht eine Frau. Noch wichtiger wäre aber ein Mann in diesem Wagen gewesen: „Verletzt wurde ein 35-jähriger Familienvater …“ So wird es immer genannt, nicht einfach Vater, sondern Familienvater. Dieser Mann kümmert sich nicht nur um ein oder mehrere Kinder, sondern steht einer ganzen Familie vor – inklusive Mutter. Das klingt veraltet, ist aber üblicher Sprachgebrauch. Eine Familienmutter gibt es hingegen nicht, obwohl in vielen Familien inzwischen eindeutig die Frau die Hosen anhat. Und auch nicht, wenn der Vater abhanden kam.

Auch ist von der Sprache her definiert, von welchem Elternteil das Kind welches Kulturgut erhält: Vom Vater gibt es das Land, in dem gelebt wird. Es bezeichnet nicht nur den heimischen Acker, der früher in männlicher Linie weitervererbt wurde, sondern das große Ganze: die Heimat, das Zugehörigkeitsgefühl, Sitten und Gebräuche. Von der Mutter gibt es die Sprache, die die Verständigung untereinander erst möglich macht.

Aber kommen wir zu den Kindern an sich: Dass der Junge ein sprachliches Geschlecht hat, das Mädchen aber nicht, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Gleiches gilt für die eher süddeutschen Knaben, Buben und Burschen, auch hier sind die Mädel neutral. Die arme, veraltete Maid hatte ein Geschlecht, befindet sich aber nicht mehr im täglichen Sprachgebrauch.

Spannender wird es, wenn man dem Volk ein wenig auf’s Maul schaut und sich anhört, wie Eltern oder andere mit der Erziehung von Kindern betraute Personen über die Kinder sprechen: Jungen sind oft „der kleine Mann“, man sieht in ihnen den ganzen Kerl, der aus ihnen einmal werden soll. Auch der „Sohnemann“ ist oft zu hören. Noch nie habe ich gehört, dass jemand die Tochter „die kleine Frau“ nannte, und „Tochterfrau“ klingt richtig seltsam. Eher heißt es da „die junge Dame“ oder „das kleine Fräulein“, und das ist oft nicht besonders nett gemeint. Man beschreibt damit gerne kleine Zicken, die unerwünschtes Verhalten zeigten.

Liebevoller klingt es, wenn Väter von ihrer kleinen Prinzessin sprechen. Man wundert sich dann allerdings nicht mehr darüber, dass kleine Mädchen fast alle irgendwann die monströse Rosa-Glitzerprinzessinnen-Phase haben. Kleine Prinzen gibt es auch, aber in diesem Fall scheint das eher unerwünscht zu sein, klingt es doch sonst arg nach einem verzogenen Kind.

Auch assoziiert man mit jungenhaftem oder mädchenhaftem Verhalten stets etwas ganz Bestimmtes: Jungenhaft bedeutet auf charmante Weise lausbübisch, auf Abenteuer aus und ein wenig waghalsig – so wie Huck Finn auf seinem Floß. Mädchenhaft ist deutlich sanfter, vorsichtiger und fürsorglicher. Ein Mädchen mit jungenhaftem Verhalten ist eine kleine Wildkatze, ein Junge mit mädchenhaftem Verhalten ist leider oft noch immer ein wenig verdächtig.

Und damit will ich es gut sein lassen mit meinem Gerede über die Geschlechter in unserer Sprache. Wem noch etwas einfällt, der schreibe es gerne in die Kommentare, denn bestimmt habe ich reichlich vergessen, und genauso sicher habe ich nicht überall Recht.