Schön ausgedrückt: Besorgte Bürger

Deutsche Fahne, Flagge, schwarz-rot-gold

Bild zur Verfügung gestellt von Timo Klostermeier, http://www.pixelio.de

In dieser Folge der Reihe „Schön ausgedrückt“ möchte ich mich einmal um eine Begriffsklärung bemühen. Denn derzeit fallen mir starke Unsauberkeiten im Ausdruck auf, und das gefällt mir ganz und gar nicht. Besonders stark ist dies beim Ausdruck „Besorgte Bürger“.

Fangen wir ganz einfach an: Ein Bürger ist laut Duden ein Angehöriger eines Staates oder einer Gemeinde, aber auch ein „Angehöriger des bestimmten Traditionen verhafteten Mittelstandes“. So weit, so gut, das ist erst mal nicht schwer.

Auch der Teil mit der Sorge ist einfach zu verstehen: Besorgt ist jemand, der „von Sorge erfüllt ist“ oder auch „von Fürsorge für jemanden/etwas erfüllt ist“. Das sind also Leute, die sich Gedanken machen, um sich selbst oder um andere, und denen nicht ganz wohl ist bei diesen Gedanken. Sie haben Befürchtungen, dass etwas nicht richtig laufen könnte, dass sie etwas nicht erreichen können, dass die Umstände sich zu ihren Ungunsten verändern. Das ist legitim und sollte thematisiert werden.

Beispiele für besorgte Bürger gibt es viele:

  • Die Mutter, die sich Gedanken macht, ob ihre Kinder die bestmögliche Ausbildung bekommen können, obwohl sie kaum das Geld hat, ihnen die nötigen Schulsachen zu kaufen.
  • Der alte Mann, dessen Miete so gestiegen ist, dass er kaum noch etwas von seiner Rente zum Leben übrig hat.
  • Die Lehrerin, die in ihrer Klasse neben 20 unauffälligen Schülern auch fünf verhaltensauffällige Kinder hat und nicht allen gerecht werden kann.
  • Der Rettungssanitäter, der nie weiß, wann er wieder auf eine irrational entfesselte Meute treffen wird, die ihn bei seiner Arbeit behindert oder gar angreift.
  • Der Schuldirektor, der in Kürze in den Ruhestand gehen wird und weiß, dass es für ihn keinen Nachfolger geben wird.
  • Die Kellnerin, die bald nach einem langen Arbeitsleben in Rente gehen wird und schon jetzt weiß, dass sie von ihrer Rente nicht wird leben können.
  • Der ältere Herr, der sich von den Parteien nicht mehr so recht vertreten fühlt, der aber trotzdem zur Wahl geht, um das kleinste Übel zu wählen und das schlimmste zu verhindern.
  • Und auch: Die alte Dame, auf deren Flur plötzlich nur noch Ausländer wohnen, die sie nicht versteht und deren Kultur ihr fremd ist.

All diese Menschen sind besorgt, zurecht, zumindest von ihrer Warte aus. Es sind anständige Menschen, mit denen man reden kann, die Gesprächen gegenüber offen sind und die, obwohl sie unzufrieden oder ängstlich sind, nicht auf die Idee kämen, andere Menschen zu bedrohen oder zu beleidigen. Anständige Menschen, die es nicht verdient haben, mit anderen, die sich ebenfalls als besorgte Bürger bezeichnen, in einen Topf geworfen zu werden.

Die Abgrenzung der ehrbaren besorgten Bürger zu anderen Gruppen ist nicht so schwierig. Ich will versuchen, das an einigen Beispielen zu verdeutlichen:

  • Der (inzwischen versetzte) LKA-Mitarbeiter (#Hutbürger), der bei einem Aufmarsch von Rechtsradikalen mitlief und dort ein Journalistenteam beschimpfte und bei der Arbeit behinderte, ist kein besorgter Bürger, sondern jemand mit rechtsradikalen Neigungen und Problemen mit dem Grundgesetz (Art. 5 GG regelt ein hohes Gut in unserem Land: die Pressefreiheit).
  • Menschen, die im Internet gegen Flüchtlinge oder Menschen mit Migrationshintergrund mit oder ohne deutschen Pass hetzen, sind keine besorgten Bürger, sondern Rassisten.

Aus Wikipedia: Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale – die eine gemeinsame Abstammung vermuten lassen – als sogenannte „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden. Die zur Abgrenzung herangezogenen Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße oder Sprache – aber auch kulturelle Merkmale wie Kleidung oder Bräuche – werden in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften gedeutet und nach Wertigkeit eingeteilt. Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig diskriminiert werden. Mit solchen Rassentheorien, die angeblich wissenschaftlich untermauert sind, wurden und werden diverse Handlungen gerechtfertigt, die den heute angewandten allgemeinen Menschenrechten widersprechen.

  • Gleiches gilt für Leute, die in einer Diskussion um Wohnungen für Flüchtlinge von diesen nur als „Messerstecher“ oder „strammen Afrikanern, auf die sich die deutschen Frauen schon mal freuen können“ sprechen.
  • Die Menschen, die durch Städte ziehen, Sprüche grölen wie „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ sind keine besorgten Bürger, sondern Rechtsradikale, Rechtsextremisten oder einfach Nazis.

Aus Wikipedia: Rechtsextremismusdient als Sammelbezeichnung, um neofaschistische, neonazistische oder ultra-nationalistische politische Ideologien und Aktivitäten zu beschreiben. Deren gemeinsamer Kern ist die Orientierung an der ethnischen Zugehörigkeit, die Infragestellung der rechtlichen Gleichheit der Menschen sowie ein antipluralistisches, antidemokratisches und autoritär geprägtes Gesellschaftsverständnis. Politischen Ausdruck findet dies in Bemühungen, den Nationalstaat zu einer autoritär geführten „Volksgemeinschaft“ umzugestalten. Der Begriff „Volk“ wird dabei rassistisch oder ethnopluralistisch gedeutet.

Reichstag, deutsche Fahne, Flagge

Bild zur Befügung gestellt von Denis Geier, http://www.pixelio.de

  • Menschen, die den Hitlergruß zeigen, sind keine besorgten Bürger, sondern Kriminelle, also laut Duden jemand, der straffällig geworden ist, eine Straftat oder ein Verbrechen begangen hat. Umgangssprachlich bezeichnet man so jemanden auch als Verbrecher.
  • Gleiches gilt für die Personen, die andere Menschen durch die Stadt jagen in der Absicht, diese zu verletzen.
  • Gleiches gilt ebenfalls für Menschen, die einen anderen ohne Notwehrsituation mit Waffen bedrohen, angreifen, verletzen, töten. Dabei ist es nicht von Bedeutung, welche Nationalität Täter und Opfer haben. Es gibt keinerlei Gründe, die so etwas rechtfertigen.
  • Ein öffentlich Angestellter, der einen Haftbefehl in den sozialen Medien verbreitet, ist kein besorgter Bürger, sondern begeht eine Straftat und gehört dafür bestraft.
  • Menschen, die angesichts der Krawalle in Chemnitz Beifall klatschen oder Jubeln, sind keine besorgten Bürger, sondern zumindest Unterstützer dieser Verbrecher, wenn nicht sogar Mittäter.
  • Menschen, die sich wie die alte Dame in Chemnitz grinsend vor eine Kamera stellen und behaupten, Frau Merkel sei schuld an den Krawallen, die habe die ganzen Ausländer ja schließlich geholt, sind zumindest Mitläufer und somit Unterstützer der Kriminellen, auf keinen Fall aber besorgte Bürgerin.
Deutsche Fahne, Flagge, schwarz-rot-gold

Bild zur Verfügung gestellt von Timo Klostermeier, http://www.pixelio.de

Und zum Abschluss noch ein paar Personen, die meines Erachtens erwähnt werden müssen:

  • Polizisten, die Täter schützen und sich gegen Opfer stellen, sind keine besorgten Bürger, sondern haben den falschen Beruf. Im Gegensatz dazu sind Polizisten, die sich trotz riesiger Übermacht gegen den Pöbel stellen und versuchen, Opfer zu schützen und das Schlimmste zu verhindern, wahre Helden, denen man gar nicht genug danken kann. Das gilt natürlich für Männer und Frauen. Ich bewundere diesen unglaublichen Mut und dieses Engagement. Es ist eine Schande, wie diese Personengruppe in diesem Land behandelt und verschlissen wird.

Aus dem Duden: Held

  • (Mythologie) durch große und kühne Taten besonders in Kampf und Krieg sich auszeichnender Mann edler Abkunft (um den Mythen und Sagen entstanden sind)
  • jemand, der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt, eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die ihm Bewunderung einträgt
  • jemand, der sich durch außergewöhnliche Tapferkeit im Krieg auszeichnet und durch sein Verhalten zum Vorbild [gemacht] wird
  • Ein Ministerpräsident, der das offensichtliche Problem mit Rechtsradikalen in seinem Bundesland leugnet und in den sozialen Medien eine Behinderung der Pressefreiheit als korrekte Handlung darstellt, hat seinen Beruf verfehlt und sollte sich einen anderen Wirkungskreis suchen. Es werden dringend Paketausträger gesucht.
  • Eine „Partei“, die nur hetzt, keinerlei konstruktive Beiträge einbringt und deren „Abgeordnete“ debil genug sind, Artikel des Postillon für ihre rechtsradikalen Argumentationen zu verwenden, hat in den Parlamenten nichts zu suchen und sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Wenn der Verfassungsschutz sich denn dazu durchringen kann …
  • Ein Innenminister, der die angespannte Stimmung im Land durch immer neue fremdenfeindliche Äußerungen immer weiter anheizt, zu gewalttätigen Krawallen dann aber schweigt, ist untragbar. Ein Begriff für ihn, den ich hier veröffentlichen möchte, fällt mir nicht ein. Dies ist ein anständiges Blog, Schimpfworte haben hier keinen Platz.

 

Nachtrag: Es bleibt dabei, dass meine bunte Welt eigentlich ein unpolitisches Blog sein soll. Es ist nur so, dass mir derzeit manchmal die Galle hochkommt. Immer, wenn es heißt, dass man mit diesen Leuten doch nur reden müsse, werde ich ranzig. Diese Krawallmacher und Pöbler bekommen seit Monaten mehr Aufmerksamkeit als alle Krippenkinder in diesem Land. Es reicht.

23 Kommentare zu “Schön ausgedrückt: Besorgte Bürger

  1. Hat dies auf Unkraut vergeht nicht….oder doch? rebloggt und kommentierte:
    Mein Blog ist ja auch eher unpolitisch (im Gegensatz zu meinem Twitterporfil zum Beispiel), aber das was seit Monaten in unserem Land abgeht, treibt mir regelmäßig abwechselnd die Scham- und Zornesröte ins Gesicht und wenn ich die aktuellen Bilder aus Chemnitz sehe, könnte ich – mit Verlaub gesagt – kotzen!!!!
    Meike hat dazu einen wunderbaren Blogpost veröffentlicht, der den Nagel gleich mehrfach auf den Kopf trifft und den ich deshalb auf meinem Blog teilen möchte.
    Danke Meike für Deine offenen Worte, die so unglaublich wichtig sind!!!

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  2. Pingback: Chemnitz- von weitem betrachtet | la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée

  3. Mit dem Beitrag sprichst du mir aus der Seele. In diese Stimmung hinein tritt Thilo Sarrazin mit einem neuen Buch. Hatte die Süddeutsche Zeitung am Vortag noch geschrieben: „Deutschland braucht dieses Werk so dringend wie einen Ebola-Ausbruch“, widmet sie dem Buch am Folgetag einen mehrspaltigen Artikel auf der 1. Seite des Kulturteils. Die naive Dummheit, mit der derlei geistiger Müll von unseren sogenannten Leitmedien immer noch beworben wird, dass man in öffentlich-rechtlichen Talkshows ständig AfD-Themen auf der Agenda hat, wird uns noch übel auf die Füße fallen.

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  4. Hat dies auf lieberlebenblog rebloggt und kommentierte:
    Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Aktionen. Hier ein Blogbeitrag, der es wert ist, verbreitet zu werden, auch auf einem nicht vorrangig politischen Blog wie diesem.

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  5. Danke – heute fand ich auch enen sehr klugen Artikel bei Herrn Mersemann, den ich rebloggt habe. Mich beruhigt es dann doch, dass es mehr Menschen gibt, die sich nun in Worten äußern, ja, es reicht!
    herzliche Grüße, unbekannter Weise, Ulli

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    • Liebe Ulli, wie so oft habe ich das Gefühl, dass die meisten BloggerInnen nicht zu den L, die Hasstiraden brüllen, den rechten Arm in die Luft strecken und Reichssymbole tragen, um die alten Zeiten nicht nur zu verherrlichen, sondern in gewisser Weise wieder zu bekommen. Diese „besorgten“ Bürger, die den Flüchtlingen das Leben sehr oft mit Brandsätzen einheizen, die werden solche guten Artikel nicht lesen – und das macht mir Angst. Leider beruhigt es mich nicht, wenn immer mehr Blogger hier gegen die Zustände anschreiben – wie kann ich die Millionen anderen erreichen, die anderer Meinung sind?
      Liebe Grüße zu dir, auch unbekannter Weise, aber ein ganz klein wenig doch schon bekannt

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      • Liebe Clara, vielleicht magst du ja meinen heutigen Artikel: Tucholsky und mehr lesen, sowie den Kommentarstrang, da wird noch mehr von meiner Haltung und der anderen sichtbar, was wir denken was geht und was eben nicht.
        Herzliche Grüße, Ulli

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      • Ich habe dich schon seit ewigen Zeiten in meinem Feedreader abgespeichert und lese oder zumindest diagonese alles.
        Nach wie vor kann ich nur sagen, für dein, mein und vieler anderer Anliegen ist die Zielgruppe nicht die Blogger, die scheinen alle halbwegs vernünftige Leute zu sein.
        Gute Nacht, liebe Ulli

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  6. Pingback: Chemnitz und der Casino-Kapitalismus |

  7. Hallo, allein die Punkte, die die „besorgten Bürger“ erläutern, hat mich spontan dazu veranlasst, diesen Blog in meinen Feedreader aufzunehmen.
    Es tut so gut, vernünftige Worte über sch…lechte Zustände zu lesen.
    Ich komme bestimmt öfter!
    Mit Gruß von Clara Himmelhoch

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  8. ja, rechtsradikal ist radikal und daher schlecht mit den Leuten zu reden. Wenn wir aber aufhören zu reden, haben wir erst ein noch größeres Problem. Abgesehen davon, das wir nie wirklich miteinander geredet haben. Denn das was man in der Presse für Abwehrhaltungen propagiert hat, führt nur zu Verhärtung von Fronten. Ängste wollen gehört werden und der Verfassungsschutz… ich möchte gerne was anderes glauben, aber man muss mal nachschauen wie der entstanden ist. Es filzt in allen Ecken und wir werden mit Propaganda nur so überschwemmt. Hier läuft ein Informationskrieg auf allen Fronten von langer Hand gesteuert. Ich wünsche mir das noch mehr Leute aufwachen. Es geht um viel mehr als Rassismus. Der wird verwendet um uns zu spalten. Wie war das noch mit wenn 2 sich streiten… freuen sich die … Oligarchen. Wenn das unsere Nationalisten – nicht die gekauften – die sich in sogenannter Vaterlandsliebe wähnen – doch auch mal erkennen mögen würden. Kein Affe würde denen hinterherjagen…

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  9. wenn sich der Verfassungsschutz denn mal durchringen kann, schwierig, bei seinen V-Leuten und seinem strukturellem Rassismus. Ich danke für Deinen ruhigen besonnen Artikel! Ich schaff das nicht ….

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