Schön ausgedrückt – stattlich

Dieses Thema passt fast ein wenig zu meiner Miniserie über die geschlechtlichen Inkonsistenzen, denn auch bei diesem Begriff wird das gleiche Wort bei Männern und Frauen leicht unterschiedlich gebraucht.

Schön ausgedrückt – stattlich

Viele Wörter bedeuten im täglichen Sprachgebrauch etwas Anderes als eigentlich gedacht. So ergeht es auch dem Begriff „stattlich“: denn laut dem gelbem Duden bedeutet er

  1. von beeindruckender großer und kräftiger Statur

Beispiel: ein stattlicher Mann

  1. (in Hinsicht auf äußere Vorzüge) ansehnlich, bemerkenswert

Beispiel: ein stattliches Gebäude

Das ist eigentlich als Erklärung völlig ausreichend, doch wird „stattlich“ gerade bei Männern anders benutzt. So erzählte uns vor einer Weile ein langjähriger Freund von einer Familienfeier, bei der sich auch Personen trafen, die sich schon jahrelang nicht gesehen hatten. Der Freund, nennen wir ihn den M., wurde von einer älteren Verwandten angesprochen: „M., du bist aber stattlich geworden! Besonders von der Seite!“ M., ein gutsituierter, wohlgenährter Mittvierziger, nahm es mit Humor. Auch wenn er seit mindestens 25 Jahren nicht mehr in der Länge gewachsen ist, hat sich doch seine Silhouette an einigen Stellen inzwischen deutlich gerundet.

Und genau das ist es, was die verschobene Bedeutung dieses kleinen Wortes ausmacht: Männer werden mit den Jahren stattlich, Frauen werden dick. Vielleicht noch pummelig, was niedlich klingt, oder auch „vollschlank“. Selten habe ich gehört, dass von einer stattlichen Frau gesprochen wurde, und wenn doch, dann musste diese nicht nur besonders groß, sondern auch würdevoll im Auftreten sein. Einfach nur eine Wampe zu haben, reicht bei Frauen nicht aus – das Leben ist ungerecht.

Die dicke Dame bekennt: Auch sie ist stattlich von der Seite. Und von vorne auch!

2 Kommentare zu “Schön ausgedrückt – stattlich

  1. Wie passt die Bezeichnung „Rubensfrau“ oder „Rubensfigur“ hier rein? Taucht öfter mal auf, z.B. in Bekanntschaftsanzeigen. Von einer „Boticellifigur“ habe ich bei derartigen Anzeigen noch nie gelesen.

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    • Keine Ahnung, warum Rubens und nicht Bitticelli – vielleicht einfach, weil sich das leichter spricht? Wir haben übrigens letztes Jahr im Urlaub eine Kirche besichtigt (welche war es nur? ich weiß nciht mal mehr, ob in Holland oder Belgien 😦 ) in der jede Menge Rubens-Bilder hingen. Uns fiel auf, dass er nicht nur bei Frauen auf die etwas fülligeren Figuren stand, sondern auch bei Männern und Kindern. Ich habe aber noch nie gehört, dass man bei einem stattlichen Mann von einer Rubens-Figur sprach.

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